Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
heute, Sie wüssten nicht, unter welcher Telefonnummer Ihre Frau hier zu erreichen war.«
»So ist es.«
»Wir können diese Nummer nicht ausfindig machen.«
»Es gibt doch wohl keine tausend Hotels zwischen Montelusa und Vigata!«
Professor Licalzi war wirklich sehr kooperativ.
»Verzeihen Sie, wenn ich noch mal nachhake. Hatten Sie denn für den absoluten Notfall nicht …«
»Ich glaubte nicht, dass sich ein solcher Notfall hätte ereignen können. Wie auch immer, in Vigàta lebt ein entfernter Verwandter von mir, zu dem die arme Michela Kontakt aufgenommen hatte.«
»Könnten Sie mir sagen -«
»Er heißt Aurelio Di Blasi. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss wieder in den OP. Morgen gegen Mittag bin ich im Kommissariat.«
»Eine letzte Frage noch. Haben Sie Ihrem Verwandten gesagt, was passiert ist?«
»Nein. Wozu? Hätte ich das tun sollen?«
Vier
»So eine elegante und schöne Frau, eine feine Dame!«, rief Claudio Pizzotta aus, der sorgfältig gekleidete sechzigjährige Direktor des Hotels Jolly in Montelusa. »Ist ihr etwas zugestoßen?«
»Das wissen wir ehrlich gesagt noch nicht. Wir haben aus Bologna einen Anruf von ihrem Mann bekommen, er macht sich Sorgen.«
»Eh già. Signora Licalzi hat, soweit mir bekannt ist, das Hotel am Mittwochabend verlassen, und seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen.«
»Haben Sie sich dabei gar nichts gedacht? Es ist Freitag Abend, wenn ich mich nicht irre.«
»Eh, già.«
»Hatte sie Bescheid gegeben, dass sie außer Haus bleiben würde?«
»Nein. Aber sehen Sie, Commissario, die Signora steigt seit mindestens zwei Jahren bei uns ab. So hatten wir genug Zeit, ihren Tagesrhythmus kennen zu lernen. Der, wie soll ich sagen, eher unüblich ist. Signora Michela ist eine Frau, die nicht unbemerkt bleibt, verstehen Sie? Und etwas hat mir immer schon besondere Sorgen gemacht.«
»Ach ja? Was denn?«
»Beh, die Signora besitzt viel kostbaren Schmuck. Ketten, Ohrringe, Armbänder, Ringe - Ich habe sie mehrmals gebeten, ihn bei uns im Safe zu deponieren, aber das hat sie immer abgelehnt. Sie bewahrt ihn in einer Art Beutel auf, Handtaschen benutzt sie nicht. Sie hat jedes Mal gesagt, ich könne ganz beruhigt sein, sie würde den Schmuck nicht im Zimmer lassen, sondern mitnehmen. Doch ich befürchtete auch einen scippo.
Aber sie lächelte nur, da war einfach nichts zu machen.«
»Sie haben den ungewöhnlichen Tagesrhythmus der Signora angedeutet. Könnten Sie das genauer erklären?«
»Selbstverständlich. Die Signora geht gern sehr spät zu Bett. Sie kommt oft erst im Morgengrauen zurück.«
»Allein?«
»Immer.«
»Betrunken? Angeheitert?«
»Niemals. Zumindest hat das der Nachtportier gesagt.«
»Sagen Sie mal, wie kommen Sie dazu, mit dem Nachtportier über Signora Licalzi zu sprechen?«
Claudio Pizzotta schoss die Schamröte ins Gesicht. Anscheinend hatte er schon mit Signora Michela geliebäugelt.
»Commissario, Sie verstehen doch - So eine schöne Frau und allein - Dass man da ein bisschen neugierig wird, ist doch ganz normal.«
»Weiter. Erklären Sie mir diesen Tagesrhythmus.«
»Die Signora schläft durch bis gegen Mittag und will unter keinen Umständen gestört werden. Wenn sie sich wecken lässt, bestellt sie das Frühstück aufs Zimmer und beginnt zu telefonieren und selbst Anrufe entgegenzunehmen.«
»Telefoniert sie viel?«
»Nun ja, ich habe eine endlos lange Einheitenliste.«
»Wissen Sie, wen sie angerufen hat?«
»Das könnte man in Erfahrung bringen. Aber das ist eine langwierige Angelegenheit. Man muss am Telefon im Zimmer nur die Null vorwählen, dann kann man sogar in Neuseeland anrufen.«
»Und was die empfangenen Gespräche angeht?«
»Mah, was soll ich da sagen. Wenn die Telefonistin das Gespräch angenommen hat, leitet sie es ins Zimmer weiter.
Es gibt nur eine Möglichkeit.«
»Nämlich?«
»Dass jemand anruft und seinen Namen hinterlässt, wenn die Signora nicht im Hotel ist. In diesem Fall bekommt der Portier ein besonderes Formular, das er ins Schlüsselfach legt.«
»Isst die Signora im Hotel zu Mittag?«
»Selten. Sie werden verstehen, nach so einem gehaltvollen späten Frühstück … Aber es ist schon vorgekommen. Und der Oberkellner hat mir mal erzählt, wie sich die Signora bei Tisch verhält, wenn sie zu Mittag isst.«
»Entschuldigen Sie, das habe ich jetzt nicht verstanden.«
»Das hier ist ein viel besuchtes Hotel, Geschäftsleute, Politiker, Unternehmer. Und alle probieren es natürlich
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