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Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Titel: Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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einen hervorragend geschnittenen Frack.
    Nur der weiße Seidenschal, der um die untere Gesichtshälfte gewickelt war, passte nicht dazu; er verbarg Nase, Mund und Kinn und ließ nur die Augen und die Stirn frei.
    Er war mit einer großen goldenen Nadel festgesteckt.
    »Bitte, kommen Sie herein«, sagte Barbera sehr höflich und führte ihn in das schalldichte Studio.
    Darin waren eine Vitrine mit fünf Geigen, eine komplizierte Stereoanlage, metallene Büroregale mit aufeinander gestapelten CDS, Platten, Tonbändern, ein Bücherschrank, ein Schreibtisch, zwei Sessel. Auf dem Schreibtisch lag noch eine Geige, diejenige offenbar, die der Maestro gerade bei seinem Konzert verwendet hatte.
    »Heute habe ich die Guarnieri gespielt«, bestätigte der Maestro und zeigte auf das Instrument. »Sie hat eine unvergleichliche, eine himmlische Stimme.«
    Montalbano beglückwünschte sich selbst: Er verstand zwar nichts von Musik, aber er hatte doch gespürt, dass der Klang dieser Geige anders war als der, den er beim ersten Konzert gehört hatte.
    »Glauben Sie mir, ein solches Juwel zur Verfügung zu haben, bedeutet für einen Geiger ein echtes Wunder.«
    Er seufzte.
    »Leider muss ich sie zurückgeben.«
    »Gehört sie nicht Ihnen?«
    »Schön wär's! Nur weiß ich nicht, wem ich sie jetzt zurückgeben soll. Ich hatte mir heute vorgenommen, im Kommissariat anzurufen und das Problem darzulegen. Aber jetzt sind Sie ja hier …«
    »Bitte, zu Ihrer Verfügung.«
    »Wissen Sie, diese Geige gehörte der seligen Signora Licalzi.«
    Der Commissario fühlte, dass sich alle seine Nerven wie Geigensaiten spannten; wenn der Maestro jetzt mit dem Bogen über ihn strich, würde er bestimmt Töne von sich geben.
    »Vor etwa zwei Monaten«, erzählte Maestro Barbera, »übte ich bei offenem Fenster. Signora Licalzi ging zufällig auf der Straße vorbei und hörte mich. Sie verstand etwas von Musik, wissen Sie. Sie las meinen Namen an der Sprechanlage und wollte mich kennen lernen. Sie hatte in Mailand mein letztes Konzert besucht, danach wollte ich mich zurückziehen, aber das wusste niemand.«
    »Warum?«
    Diese direkte Frage überraschte den Maestro. Er zögerte nur einen Augenblick, dann zog er die Nadel heraus und löste langsam den Schal. Ein Monster. Die halbe Nase fehlte, die Oberlippe, die völlig zerfressen war, entblößte das Zahnfleisch.
    »Finden Sie das nicht Grund genug?«
    Er hüllte sich wieder in den Schal und steckte ihn. mit der Nadel fest.
    »Es ist ein äußerst seltener Fall von unheilbarem Lupus.
    Wie hätte ich da vor mein Publikum treten können?«
    Der Commissario war ihm dankbar, dass er den Schal gleich wieder angelegt hatte, man konnte gar nicht hinsehen, es war Ekel erregend und zum Fürchten.
    »Nun gut, wir sprachen also über dieses und jenes, und da sagte dieses schöne, freundliche Geschöpf, sie habe von ihrem Urgroßvater, der Geigenbauer in Cremona war, eine Geige geerbt. Sie fügte hinzu, in der Familie habe es, als sie klein war, geheißen, dieses Instrument sei ein Vermögen wert, aber sie habe dem keine Bedeutung beigemessen.
    In den Familien gibt es oft diese Legende des kostbaren Gemäldes, der kleinen Statue, die Millionen wert ist. Wer weiß, warum ich neugierig wurde. Ein paar Tage später rief sie abends an, holte mich ab und fuhr mit mir in die Villa, die gerade fertig gestellt war. Glauben Sie mir, als ich die Geige sah, spürte ich etwas in mir explodieren, als hätte ich einen starken Stromschlag bekommen. Sie war äußerlich zwar in ziemlich schlechtem Zustand, aber es bedurfte nicht viel, sie perfekt wieder herzurichten. Es war eine Andrea Guarnieri, Commissario, sie ist ganz leicht an dem bernsteingelben Lack mit seiner ungewöhnlichen Leuchtkraft zu erkennen.«
    Der Commissario betrachtete die Geige; eigentlich fand er nicht, dass sie leuchtete. Aber er hatte ja auch kein Talent für solche Musikdinge.
    »Ich probierte sie aus«, sagte der Maestro. »Ich spielte zehn Minuten lang und war im Paradies mit Paganini, mit Ole Bull …«
    »Was hat sie für einen Marktwert?«, fragte der Commissario, der normalerweise auf der Erde herumflog und noch nie bis ins Paradies gekommen war.
    »Wert?! Markt?!«, rief der Maestro entsetzt aus. »Aber ein solches Instrument hat keinen Preis!«
    »Va bene, nur um eine Zahl zu nennen …«
    »Keine Ahnung, zwei, drei Milliarden.«
    Hatte er richtig gehört? Er hatte richtig gehört.
    »Ich machte die Signora darauf aufmerksam, dass sie es nicht riskieren

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