Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen
übernehmen.«
Montalbano wurde es leicht schwindlig. Was hatte denn das zu bedeuten? Er wusste nicht mal die Personalien des Erschossenen. Sollte sich am Ende etwa herausstellen, dass der ermordete Junge der Sohn einer wichtigen Persönlichkeit war? Halste man ihm da gewaltige Scherereien auf? Keine heißen Kartoffeln, sondern glühende Kohlen?
»Entschuldigen Sie, Dottore. Ich habe mich an Ort und Stelle begeben, aber die Ermittlungen nicht aufgenommen. Sie verstehen schon, ich wollte niemandem zuvorkommen.«
»Ich verstehe das sehr gut, Montalbano! Der Madonna sei Dank haben wir es in unserer Questura mit hochsensiblen Leuten zu tun!«
»Warum übernimmt nicht Dottor Gribaudo den Fall?«
»Sie wissen wohl gar nichts?«
»Überhaupt nichts.«
»Nun, Dottor Gribaudo musste letzte Woche nach Beirut zu einer wichtigen Tagung über -«
»Ich weiß. Wurde er in Beirut aufgehalten?«
»Nein, nein, er ist zurück, aber kaum war er wieder da, hat er eine furchtbare Diarrhöe bekommen. Wir hatten irgendeine Form der Cholera befürchtet, wissen Sie, die tritt in solchen Gegenden nicht selten auf, aber es war dann, der Madonna sei Dank, doch keine.« Montalbano dankte der Madonna dafür, dass sie Gribaudo gezwungen hatte, sich nicht weiter als einen halben Meter von einem Klo zu entfernen. »Und Foti, sein Vice?«
»Er war in New York auf dieser Tagung, die Rudolph Giuliani veranstaltet hat, Sie wissen schon, der Bürgermeister der >Nulltoleranz<. Bei der Tagung ging es um die Möglichkeiten, wie in einer Metropole am besten für Ruhe und Ordnung gesorgt werden kann …«
»Ist sie nicht seit zwei Tagen zu Ende?«
»Natürlich, natürlich. Aber sehen Sie, bevor Dottor Foti nach Italien zurückkehrte, ist er in New York ein bisschen spazieren gegangen. Man hat ihm ins Bein geschossen und die Brieftasche gestohlen. Er liegt im Krankenhaus. Der Madonna sei Dank nichts Schlimmes.«
Es war schon zehn Uhr vorbei, als Fazio erschien. »Warum habt ihr so lange gebraucht?«
»Dottore, um Himmels willen, hören Sie mir auf! Erst mussten wir auf den stellvertretenden Staatsanwalt warten! Dann -«
»Warte. Erklär mir das genauer.«
Fazio verdrehte die Augen zum Himmel, erneut davon reden zu müssen ließ seinen ganzen Ärger wieder hochschwappen.
»Also, Galluzzo hat Staatsanwalt Tommaseo abgeholt, der gegen einen Baum gefahren war -«
»War es denn kein Pfosten?«
»Nonsi, Dottore, er dachte, es wäre ein Pfosten, aber es war ein Baum. Jedenfalls hat sich Tommaseo die Stirn angehauen, und er blutete. Da hat Galluzzo ihn nach Montelusa in die Notaufnahme gebracht. Von dort hat Tommaseo telefoniert, weil er wegen seiner Kopfschmerzen vertreten werden wollte. Aber es war noch zu früh, und im Justizpalast war niemand. Tommaseo hat einen Kollegen zu Hause angerufen, Dottor Nicotra. Wir mussten also warten, bis Dottor Nicotra aufgewacht ist, sich angezogen hat, seinen Kaffee getrunken hat, sich ins Auto gesetzt hat und gekommen ist. Aber Dottor Gribaudo hat sich unterdessen immer noch nicht blicken lassen. Und sein Vice auch nicht. Als endlich der Krankenwagen kam und die Leiche mitnahm, hab ich noch zehn Minuten auf die Mordkommission gewartet. Und weil niemand kam, bin ich dann gegangen. Wenn Dottor Gribaudo was von mir will, soll er mich hier anrufen.«
»Was hast du über den Mord erfahren?«
»Dottore, mit Verlaub, das kann Ihnen doch scheißegal sein. Die von der Mordkommission müssen sich drum kümmern.«
»Gribaudo wird nicht kommen, Fazio. Er hockt auf dem Klo und scheißt sich die Seele aus dem Leib. Foti wurde in New York angeschossen. Lattes hat mich angerufen. Den Fall übernehmen wir.«
Fazio setzte sich, seine Augen glitzerten vor Zufriedenheit. Und sofort zog er einen eng beschriebenen Zettel aus der Jackentasche. Er fing an vorzulesen. »Sanfilippo Emanuele beziehungsweise Nenè, Sohn des verstorbenen Gerlando Sanfilippo und von Patò Natalina …«
»Das reicht«, sagte Montalbano.
Er hatte sich über den - wie er das nannte -»Einwohnermeldeamt-Komplex« geärgert, an dem Fazio litt. Aber noch mehr ärgerte ihn der Tonfall, in dem Fazio Geburtsdaten, Verwandtschaftsgrade, Eheschließungen aufzählte. Fazio verstand augenblicklich. »Mi scusasse, entschuldigen Sie, Dottore.« Aber er steckte den Zettel nicht wieder ein. »Den behalte ich als Spickzettel«, rechtfertigte er sich.
»Wie alt war dieser Sanfilippo?«
»Einundzwanzig Jahre und drei Monate.«
»Nahm er Drogen? Hat er
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