Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
mitteilen, dass der Signor Questore Sie heute nicht empfangen kann, wie Sie gebeten hatten.«
»Schauen Sie, Dottore, es war der Signor Questore, der mich zu sich bestellt hat.«
»Ach ja? Na, wie auch immer. Können Sie morgen um elf kommen?«
»Ohne Weiteres.«
Bei der Vorstellung, dass er den Polizeipräsidenten nicht sehen würde, weiteten sich gleich seine Lungen, und ein ungeheurer Appetit kam auf, mit dem nur Enzo in seiner Trattoria fertig werden konnte.
Er verließ das Kommissariat. Der Tag leuchtete in den Farben des Sommers, war jedoch nicht so unerträglich heiß. Montalbano schlenderte in aller Gemütsruhe dahin, ein Schritt nach dem anderen, schon im Vorgeschmack auf das, was er essen würde. Als er vor der Tür der Trattoria stand, rutschte ihm das Herz vor Schreck in die Hose. Sie war verschlossen, verrammelt. Was, zum Teufel, war denn passiert? Voller Wut versetzte er der Tür einen Tritt, drehte sich um und machte sich fluchend wieder auf den Weg. Doch nach zwei Schritten wurde er gerufen. «Commissario! Was machen Sie denn da? Haben Sie vergessen, dass wir heute unseren Ruhetag haben?« Er hatte es vergessen, verflixt!
»Aber wenn Sie mit mir und meiner Frau essen wollen …«
Montalbano stürzte hinein und aß so viel, dass er sich dafür schämte, aber er konnte nicht dagegen an. Am Ende beglückwünschte Enzo ihn fast:
»Und bewahren Sie sich weiterhin Ihren guten Appetit, Commissario !«
Der Spaziergang zur Mole war, notgedrungen, lang. Den Nachmittag verbrachte er damit, dass seine Augen hin und wieder vor Müdigkeit flirrten und sein Kopf anfing, wegen der plötzlichen Schlafattacken nach vorne zu sacken. Da stand er auf und wusch sich das Gesicht. Um sieben Uhr am Abend teilte Catarella ihm mit, dass die Frau vom Vormittag zurückgekommen sei.
Als Michela Pardo sein Büro betrat, sagte sie nur ein Wort: »Nichts.«
Sie setzte sich nicht, am liebsten wäre sie gleich in die Wohnung des Bruders geeilt, und diese Eile wollte sie auf den Commissario übertragen. »Also gut«, sagte Montalbano. »Gehen wir.« Als sie an dem Kabuff vorbeikamen, informierte er Catarella.
»Ich gehe jetzt mit Signorina Pardo weg. Wenn ihr mich später braucht, findet ihr mich in Marinella.«
»Fahren Sie in meinem Auto mit?«, fragte Michela Pardo und zeigte auf einen blauen Polo.
»Ist vielleicht besser, wenn ich meinen Wagen nehme und Ihnen folge. Wo wohnt Ihr Bruder?«
»Etwas außerhalb. Im neuen Viertel. Kennen Sie Vigàta 2?« Er kannte Vigàta 2. Ein Albtraum, der von einem Wohnsilo-Baulöwen auf Horrortrip aus dem Boden gestampft worden war. Dort hätte er nicht tot über dem Zaun hängen wollen.
Zwei
Nein, zu seinem Glück und dem des Commissario, der nie, wirklich nie länger als fünf Minuten in einem der engen, bedrückenden Zwei-mal-drei-Meter-Zimmer von Vigàta 2 hätte bleiben können, die in der Werbebroschüre als »großräumig und sonnendurchflutet« beschrieben worden waren, wohnte Angelo Pardo hinter der neuen Wohnanlage in einer restaurierten kleinen Villa aus dem neunzehnten Jahrhundert mit zwei Obergeschossen. Die Haustür war geschlossen. Während Michela sie mit dem Schlüssel öffnete, sah Montalbano, dass die Sprechanlage sechs Namensschildchen hatte. Es gab also sechs Wohnungen, zwei im Erdgeschoss und vier auf den anderen Etagen. «Angelo wohnt auf der obersten, einen Aufzug gibt es nicht.«
Die Treppe hatte großzügig angelegte Stufen, das Haus wirkte unbewohnt, keine Stimme war zu hören, kein Laut aus einem eingeschalteten Fernsehgerät. Und doch war es die Zeit, zu der die Leute mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt waren.
Auf dem Treppenabsatz der obersten Etage gab es zwei Türen. Michela bewegte sich auf die linke zu. Bevor sie öffnete, wies sie den Commissario auf ein vergittertes Fensterchen hin, das sich neben der gepanzerten Wohnungstür befand.
»Von hier habe ich nach ihm gerufen. Er hätte mich ganz sicher gehört.«
Sie schloss auf, zuerst mit einem Schlüssel, danach mit einem zweiten, vier Umdrehungen, aber sie ging nicht hinein, sondern trat zur Seite. »Könnten Sie vorangehen?«
Montalbano stieß die Tür auf, suchte nach dem Schalter, machte Licht und trat ein. Er schnupperte in der Luft wie ein Hund. Und er war augenblicklich davon überzeugt, dass es in der Wohnung keinen Menschen gab, weder lebendig noch tot.
»Folgen Sie mir«, sagte er zu Michela. Vom Eingang gingen sie durch einen langen Flur. Linker Hand ein
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