Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
in jedem Fall zwischen ihnen beiden hätte bleiben müssen. Doch andererseits, mit wem hätte er denn über die Situation sprechen können, wenn nicht mit Ingrid?
»Weißt du, warum dir das mit dem Seelenstriptease vor Ingrid passiert ist? Weil du alt bist und die Mischung aus Wein und Whisky nicht mehr verträgst«, sagte Montalbano Nummer eins.
»Der Wein, der Whisky und das Alter haben damit gar nichts zu tun«, mischte sich Montalbano Nummer zwei ein. »Wie schaffst du es, aus einer offenen Wunde kein Blut austreten zu lassen?«
Ingrid kam jedoch nicht mehr auf das Thema des gestrigen Abends zu sprechen - mit Sicherheit spürte sie, wie verlegen Montalbano war. »Woran arbeitest du denn im Augenblick?«
»Die lokalen Fernsehsender sprechen zurzeit von nichts anderem.«
»Ich sehe nie die lokalen Fernsehsender. Und auch nicht die landesweiten.«
»Auf einer Müllkippe ist eine junge Frau ermordet aufgefunden worden. Es ist äußerst schwierig, sie zu identifizieren, sie war nackt, keine Kleidung, keine Ausweispapiere. Nur ein kleines Tattoo.«
»Was für ein Tattoo ?«
»Ein Schmetterling.«
»Wo?«, fragte Ingrid plötzlich ganz aufmerksam. »Dicht neben dem linken Schulterblatt.«
» Dio mio!«, sagte Ingrid und wurde blass. »Was ist denn?«
»Bis vor drei Monaten hatte ich ein russisches Dienstmädchen, auch mit so einem Tattoo … Wie alt war das ermordete Mädchen?«
»Höchstens um die fünfundzwanzig.«
»Das kommt hin. Meine war vierundzwanzig. Dio mio!«.
»Nicht so hastig. Es kann ja sein, dass sie es gar nicht ist.
Und warum hast du sie nicht länger bei dir beschäftigt?«
»Sie war es, die plötzlich verschwunden war.«
»Erklär mir das genauer.«
»Eines Morgens sah ich sie nicht im Haus. Ich habe die Köchin nach ihr gefragt, aber die hatte sie auch nicht gesehen.
Ich bin in ihr Zimmer gegangen, da war sie auch nicht. Sie ist nie wiedergekommen. Ich habe sie durch eine aus Sambia ersetzt.«
Warum sollte sie sie auch durch eine aus Trient oder aus Canigatti ersetzen! Jedes Mal wenn er bei Ingrid zu Hause anrief, antworteten Leute aus Tananarive, Palikir, Lilongwe …
»Doch ihr Verschwinden hat mich argwöhnisch gemacht«, fuhr Ingrid fort.
»Warum?«
»Weißt du, ich bin eigentlich fast nie zu Hause, doch die wenigen Male, die ich mit ihr gesprochen habe …«
»Wie lange ist sie bei dir gewesen?«, unterbrach Montalbano sie.
»Einen Monat und ein paar Tage. Ich wollte sagen, dass sie die wenigen Male, die ich mit ihr gesprochen habe, keinen guten Eindruck auf mich gemacht hat.«
»Und warum nicht?«
»Sie war irgendwie gar nicht zu greifen. Wollte auch absolut nichts von sich erzählen.«
»Und nachdem du argwöhnisch geworden warst, was hast du da gemacht?«
»Ich habe nachgeschaut, ob mein Schmuck noch dort war, wo ich ihn versteckt hatte.«
»Hast du keinen Safe?«
»Nein. Ich habe meinen Schmuck an drei verschiedenen Stellen versteckt. Ich trage ihn ja nie. Aber einmal habe ich ein paar Stücke angelegt, weil ich meinen Mann zu einem wichtigen Essen begleiten musste, und das Mädchen hat wohl bei dieser Gelegenheit mitbekommen, wo ich sie aufbewahre.«
»Hat sie dir den Schmuck gestohlen?«
»Die Stücke aus diesem Versteck schon.«
»Waren sie versichert?«
»Ach, ich bitte dich!«
»Wie viel waren sie wert?«
»Um die drei- bis vierhunderttausend Euro.«
»Warum hast du sie nicht angezeigt?«
»Mein Mann hat sie angezeigt!«
»In der Questura von Montelusa?«
»Nein, in der Dienststelle der Carabinieri.» Ah, deshalb hatte er nichts darüber erfahren. Wäre ja auch zu schön, wenn die Carabinieri sich herabließen und sie verständigen würden! Aber hätten sie es mit den Carabinieri nicht genauso gemacht? »Wie hieß sie?«
»Sie sagte mir, Irina.«
»Hattest du denn nie die Möglichkeit, dir ihren Ausweis anzusehen?«
»Nein. Wozu hätte ich mir den auch ansehen sollen?«
»Entschuldige mal, aber wie machst du das denn, wenn du Dienstmädchen, Köchinnen, Butler einstellst… Bei dir zu Hause ist doch ein ständiges Kommen und Gehen.«
»Ich stelle sie ja gar nicht ein, das macht der Buchhalter Curcuraci.«
»Und wer ist das?«
»Das ist der alte Verwalter, der sich seinerzeit um das Vermögen meines Schwiegervaters gekümmert hat, das ja nun meinem Mann gehört.«
»Hast du seine Nummer?«
»Ja, die ist in meinem Handy gespeichert, das ich noch im Auto habe. Wenn wir gleich gehen, gebe ich sie dir. Hör zu, wenn du willst, könnte ich …
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