Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
nicht. Vielleicht habe ich es ja doch nicht mitgenommen.«
Montalbano sah sie völlig verdattert an. »Warum machst du so ein Gesicht?«
»Ist es denn nicht die Aufgabe des Mannes, daran zu denken?«
»Theoretisch schon. Aber wenn er sie vergisst, was machen wir dann? Singen wir dann ›Es war so schön gewesen …‹?«
»Warte, ich schau noch mal genauer nach.«
»Ach, lass nur, Salvo! Eigentlich brauche ich sie ja gar nicht. Ich hab doch beschlossen, den Abend mit dir zu verbringen …«, sagte sie, ehe sie ins Badezimmer ging. Weil sie beschlossen hat, den Abend mit mir zu verbringen, braucht sie keine Kondome, wiederholte er für sich. Sollte der verkannte Faun Salvo jetzt beleidigt sein? Sollte der keusche Joseph Montalbano stolz sein? Unter solchen Zweifeln öffnete er die Glastür zur Veranda und trat hinaus.
Natürlich regnete es ohne Unterlass. Wenn das Wasser des Himmels weder den Tisch noch die Bank nass gemacht hatte, dann, weil das Dach seine Aufgabe erfüllte. Dafür aber war das Wasser des Meeres bis unter die Veranda vorgedrungen und hatte den gesamten Strand verschlungen.
Kurzum, auch wenn es ein bisschen frisch war, konnten sie den Tisch draußen decken.
Er öffnete den Kühlschrank und war enttäuscht. Außer Oliven und Käse war nichts da. Das hieß dann jawohl, dass sie doch noch das Haus verlassen mussten, um irgendwo etwas essen zu gehen. Er öffnete den Backofen. »Kleingläubiger!«, tadelte er sich.
Adelina hatte Pasta 'ncasciata vorbereitet, eine reichlich mit Soße und Käse angemachte Pasta, und Melanzane alla parmigiana, man musste nur noch den Backofen einschalten und alles kurz aufwärmen.
Da kam Ingrid, die sich seinen Bademantel übergezogen hatte.
»Jetzt kannst du rein.«
Montalbano rührte sich nicht, er schaute sie einfach nur weiter an. »Na, was ist?«
»Seit wann kennen wir uns, Ingrid?«
»Seit über zehn Jahren. Wieso?«
»Wie kommt es, dass du immer schöner wirst?«
»Hast du am Ende vielleicht doch irgendwelche Absichten?«
»Nein, war einfach nur eine Feststellung. Wir können übrigens auf der Veranda essen.«
»Wie schön. Ich richte alles her, geh schon.«
Wenn schon der Pasta 'ncasciata nach ihrem Verschwinden lange nachgetrauert wurde, hatten die Auberginen mit Parmesankruste, als nichts mehr von ihnen übrig war, eine wahre Totenklage verdient. Mit der Pasta fand auch eine Flasche lieblichen, allerdings trügerischen Weißweins ihr rühmliches Ende. Für die Auberginen opferte sich hingegen eine halbe Flasche eines anderen Weißweins, der unter dem Deckmantel der Sanftheit ein hinterhältiges Wesen verbarg.
»Die Flasche muss noch geleert werden«, sagte Ingrid. Montalbano holte die Oliven und den Tumazzokäse. Danach räumte Ingrid den Tisch ab, und Montalbano hörte, dass sie die Teller abzuwaschen begann. »Lass gut sein, Adelina kommt doch morgen.«
»Entschuldige, Salvo, aber es ist stärker als ich.« Montalbano stand auf, holte eine Flasche Whisky und zwei Gläser und kehrte wieder auf die Veranda zurück. Nach einer Weile kam auch Ingrid und setzte sich neben ihn. Montalbano füllte ihr Glas zur Hälfte, und sie tranken.
»Jetzt können wir reden«, sagte Ingrid.
Während des Essens hatten sie nicht miteinander gesprochen, abgesehen von ein paar Bemerkungen über das, was sie gerade verzehrten. Und so waren der Geruch und das Geräusch des Meerwassers, das gegen die Pfosten klatschte, die die Veranda trugen, eine ebenso unberechenbare wie willkommene Würze und Untermalung der immer wieder eintretenden Stille. »Wie geht es deinem Mann?«
»Gut, glaube ich.«
»Was heißt: Glaube ich?«
»Seit er zum Abgeordneten gewählt worden ist, lebt er in Rom, wo er sich eine Wohnung gekauft hat. Ich bin nie hingefahren. Er kommt einmal im Monat nach Montelusa, verbringt aber mehr Zeit mit seinen Wählern als mit mir. Im Übrigen schlafen wir ja schon seit Jahren nicht mehr miteinander.«
»Verstehe. Affären?«
»Nur um mich noch lebendig zu fühlen. Zweite Liga. Sie kommen und gehen.«
Sie schwiegen eine Weile, um dem Rauschen des Meeres zu lauschen.
»Salvo, was ist mit dir?«
»Mit mir? Nichts, was soll mit mir sein?«
»Ich glaube dir nicht. Du redest zwar mit mir, aber denken tust du an etwas anderes.«
»Entschuldige, aber ich habe es gerade mit einem wichtigen Fall zu tun, und da schweife ich hier und da schon mal mit den Gedanken ab, weil ich daran denken muss. Es geht um eine junge Frau, die …«
»Ich beiße nicht
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