Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
ist es immer die Frau, die den Mann zur Sünde verleitet!«
»Wollen wir einen Religionskrieg führen? Wohl besser nicht«, sagte Montalbano wutentbrannt. Sie saßen still da, dann sagte Ingrid leise: »Entschuldige.«
»Was denn?«
»Das, was ich über die Sache mit dem Mädchen gesagt habe. Das war dumm und vulgär.«
»Ach, nicht doch, komm!«
»Doch, war es. Ich hab gesehen, wie du leidest, als du über sie gesprochen hast, und da…«
»Da… was?«
»Da hat mich auf einmal die Eifersucht gepackt.« Montalbano fühlte sich, als wäre er unter die Türken gefallen.
»Eifersucht? Du bist eifersüchtig auf Livia?« Ingrid lachte. »Nein, auf Adriana.«
»Auf Adriana? !«
»Ach, Salvo, du Armer, du wirst die Frauen nie verstehen. Und an welchem Punkt seid ihr jetzt, du und Livia?«
»Wir wissen nicht, ob es sich lohnt, die Scherben wieder zu kitten, oder nicht.«
»Sieh mich an«, sagte Ingrid.
Montalbano wandte sich ihr zu, um sie anzusehen. Sie war todernst.
» ES LOHNT SICH . Das sage ich dir. Werft diese gemeinsamen Jahre nicht einfach fort. Ihr denkt, dass ihr keine Kinder habt, in Wirklichkeit aber habt ihr doch eins: eure gemeinsame Vergangenheit. Ich habe nicht einmal das.«
Völlig hilflos sah Montalbano, wie ihr zwei dicke Tränen aus den Augen traten. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte. Er wollte sie in die Arme nehmen, glaubte ihr damit jedoch den Augenblick der Schwäche nur noch schwerer zu machen. Ingrid stand auf und ging ins Haus.
Sie kam zurück, nachdem sie sich das Gesicht gewaschen hatte.
»Machen wir die Flasche leer.« Und sie machten sie leer.
»Kannst du noch fahren?«
»Nein«, antwortete Ingrid mit belegter Stimme. »Willst du mich etwa rauswerfen?«
»Daran würde ich nicht mal im Traum denken. Aber wenn du nach Hause willst, kann ich dich fahren.«
»Mit dir steige ich ja nicht mal ins Auto, wenn du nichts getrunken hast, warum sollte ich es also jetzt tun? Hast du noch Whisky?«
»Ich müsste noch eine halbe Flasche dahaben.«
»Hol sie.«
Sie leerten auch die.
»Ich bin müde«, sagte Ingrid.
Leicht schwankend stand sie auf, beugte sich zu Montalbano hinunter und küsste ihn auf die Stirn. «Buonanotte.«
Montalbano ging ins Bad. Er versuchte, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Als er ins Schlafzimmer kam, schlief Ingrid, die eines seiner Hemden angezogen hatte, den Schlaf der Gerechten.
Sieben
Er wachte später auf als gewöhnlich und hatte leichte Kopfschmerzen.
Ingrid schlief noch tief und fest. Sie lag in der gleichen Haltung da, in der sie eingeschlafen war. Der Duft ihrer Haut veranlasste Montalbano, noch ein bisschen mit geschlossenen Augen und geblähten Nasenflügeln im Bett zu bleiben. Dann stand er langsam und vorsichtig auf und schaute aus dem Fenster.
Es regnete zwar nicht, aber es blieb auch nichts zu hoffen, der Himmel war düster und einheitlich bedeckt. Er ging ins Bad, zog sich an, bereitete den Espresso zu, trank zwei Tassen hintereinander weg und brachte Ingrid ebenfalls eine.
«Buongiorno. Ich muss gleich weg. Aber du kannst ruhig so lange liegen bleiben, wie du willst.«
»Warte auf mich. Ich dusche nur schnell, dann bin ich fertig. Ich würde gern noch einen Espresso trinken, aber zusammen mit dir.«
Er kehrte in die Küche zurück und setzte noch mal eine Kanne für vier Tassen auf.
Im Haus gab es nichts zum Frühstücken, denn er frühstückte nie. Nur wenn Livia für ein paar Tage nach Marinella kam, fanden sich im Kühlschrank Miniportionen von Butter und Marmelade, die sie immer in Hotels stibitzte und dann mit herbrachte.
Er deckte soweit möglich das Tischchen in der Küche, mit ein paar Papierservietten, zwei kleinen Tassen und der Zuckerdose.
Ingrid kam herein, als der Kaffee gerade durchgelaufen war. Sie setzten sich, und Montalbano schenkte ihr eine Tasse ein.
Er fühlte sich ein wenig befangen an diesem Morgen. Vielleicht hätte er in der vergangenen Nacht Ingrid gegenüber nicht so offen sein, sich ihr nicht derart rückhaltlos anvertrauen sollen.
Immerhin war sie Schwedin! Bei denen ist doch schamhafte Zurückhaltung in Gefühlsdingen fast schon eine Glaubenssache. Womöglich hatte er sie damit in Verlegenheit gebracht.
Aber mal abgesehen davon, dass er sich blamiert hatte, indem er ihr seine Geschichte mit Adriana erzählt hatte, mit welchem Recht hatte er ihr verraten, was zwischen Livia und Gianni vorgefallen war?
Das war schließlich eine Sache, die nur Livia und allenfalls ihn etwas anging und
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