Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
muss die Meeresluft sein.«
»Das freut mich. Ich muss dir gestehen, dass Frauen, die nichts essen, weil sie dauernd Angst haben, zuzunehmen, mir…«
Er unterbrach sich. Wieso konnte er nur so vertraut mit Rachele plaudern? Was war los mit ihm? »Ich habe noch nie eine Diät gemacht«, sagte Rachele. »Zumindest bis jetzt war das zum Glück nicht nötig.« Ein Kellner brachte den Wein. Sie tranken ein erstes Glas. »Der ist wirklich ausgezeichnet«, sagte Rachele. Ein Paar um die dreißig kam herein und suchte einen Tisch. Doch sobald die junge Frau bemerkte, wie ihr Begleiter Rachele ansah, packte sie ihn am Arm und zerrte ihn in den Innenraum des Restaurants.
Der Kellner kam wieder, und während er die leeren Gläser nachfüllte, fragte er, was sie essen wollten. »Möchtest du einen ersten Gang oder ein Antipasto?«
»Schließt denn das eine das andere aus?«, fragte Rachele ihrerseits.
»Hier gibt es fünfzehn verschiedene Vorspeisen, die ich dir, offen gestanden, allesamt nur empfehlen kann.«
»Fünfzehn?«
»Wenn nicht noch mehr.«
»Ich nehme das Antipasto.«
»Und als Hauptgang?«, fragte der Kellner. »Das überlegen wir uns noch«, sagte Montalbano. »Soll ich noch eine Flasche Wein zu den Antipasti bringen?«
»Sehr gern.«
Nach einer Weile hätte auf dem Tisch nicht einmal mehr eine Stecknadel Platz gehabt.
Krebse, Garnelen, Pfeilkalmare, geräucherter Thunfisch, gebratene Buletten aus lauter Glasfischchen, Seeigel, Mies- und Venusmuscheln, Krakenstückchen mit Zitronenscheiben, marinierte Krakenstückchen, in Zitrone marinierte Sardinen, Sardinen in Öl, frittierte Babykalmare, Babykraken und Tintenfische in Orangenmarinade mit Staudenselleriescheibchen, Sardellenröllchen mit Kapern dazwischen, knusprig panierte Sardinen, Carpaccio vom Schwertfisch…
Die Stille, in der sie aßen und sich nur gelegentlich einen genießerischen Blick angesichts dieser Geschmacks- und Duftvielfalt zuwarfen, wurde nur einmal unterbrochen, und zwar genau in dem Augenblick, als sie von den aufgerollten Sardellen zu den Babykraken übergingen. »Was ist denn?«, fragte Rachele. Montalbano wurde rot. »Nichts.«
Eine ganze Weile schon hatte er gedankenverloren ihren Mund betrachtet, der sich öffnete, während die Gabel hineinglitt, und dabei für einen kurzen Augenblick die Intimität des rosafarbenen Gaumens sehen ließ, wie bei einer Katze; die Gabel, die leer zwischen den strahlend weißen Zähnen herauskam, ehe der Mund sich wieder schloss; die Lippen, die sich, einem bestimmten Rhythmus folgend, leicht bewegten, während sie kaute. Sie hatte einen Mund, der einen um den Verstand brachte, wenn man ihn nur ansah. Und blitzschnell erinnerte Montalbano sich, wie ihn an dem Abend in Fiacca ihre Lippen, die im Glutschein der Zigarette aufleuchteten, in ihren Bann gezogen hatten.
Als sie mit den Vorspeisen fertig waren, sagte Rachele: »Dio mio!«
Und stieß einen wohligen Seufzer aus.
»Alles in Ordnung?«
»Alles in allerbester Ordnung.«
Der Kellner kam und räumte ab.
»Was hätten Sie gern als Hauptgang?«
»Könnten wir nicht eine kleine Pause einlegen?«, schlug Rachele vor.
»Wie Sie wünschen.«
Der Kellner entfernte sich. Rachele war ganz still. Dann, ganz unvermittelt, füllte sie ihr Glas mit Wein, nahm ihre Zigaretten und das Feuerzeug, stand auf, stieg die zwei Stufen der Treppe hinunter, die zum Strand führte, streifte jeweils mit einer einzigen Bewegung von Fuß und Bein die Schuhe ab und ging bis ans Meer, wo ihre Füße vom Wasser umspielt wurden.
Sie hatte Montalbano nicht aufgefordert, ihr zu folgen, genau wie an dem Abend in Fiacca. Und so blieb er am Tisch sitzen. Dann, nach etwa zehn Minuten, kam sie zurück. Bevor sie die Stufen hochstieg, zog sie die Schuhe wieder an.
Als sie vor ihm saß, hatte Montalbano den Eindruck, dass das Blau von Racheles Augen noch stärker glänzte als sonst. Rachele sah ihn an und lächelte.
Und da quoll ihr mit einem Mal eine Träne aus dem linken Auge, die zunächst noch halb an den Wimpern hängen blieb, ehe sie schließlich die Wange hinunterlief. »Da ist mir wohl ein Sandkorn ins Auge geraten«, sagte Rachele, was ganz offensichtlich gelogen war. Der Kellner tauchte auf wie ein nächtlicher Geist. »Haben die Herrschaften gewählt?«
»Was gibt es denn?«, fragte Montalbano. »Wir haben eine Platte mit verschiedenen frittierten Fischen, gegrillten Fisch, Schwertfisch nach Ihren Wünschen zubereitet, Meerbarben alla livornese …«
»Ich
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