Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
welches mein Pferd ist, und haben daher beide Tiere mitgenommen. Sie wollten, dass Scisci in Misskredit gerät, und so ist es ja auch gekommen.« Das war eine Hypothese, die sie im Kommissariat auch schon einmal aufgestellt hatten.
»Hast du die Zeitung von gestern gelesen?«, fuhr Rachele fort.
»Nein.«
»Im Corriere dell'Isola hat man lang und breit über den Diebstahl der beiden Pferde berichtet. Die Journalisten wissen allerdings nicht, dass meins umgebracht worden ist.«
»Wie haben sie denn davon erfahren?«
»Na, in Fiacca haben sie doch gesehen, dass ich auf einem fremden Pferd geritten bin! Und da wird jemand Fragen gestellt haben. Super war ein Pferd, das viele große Rennen gewonnen hat; in der Welt des Pferdesports war er bestens bekannt.«
»Immer mit dir als Reiterin?« Rachele lachte auf ihre spezielle Weise. »Schön wär's!«
Dann hielt sie inne und fragte:
»Einfach so aus Neugier: Bist du vorher schon mal bei einem richtigen Rennen gewesen, ich meine, bei einem Pferdewettrennen ? «
»Nein, das in Fiacca war mein erstes.«
»Bist du eher Fußballfan?«
»Wenn die Nationalmannschaft spielt, sehe ich mir schon mal das eine oder andere Spiel an. Aber noch lieber schaue ich mir die Formel-1-Rennen an, vielleicht, weil ich nie richtig Auto fahren gelernt habe.«
»Aber Ingrid hat mir erzählt, du gehst oft schwimmen!«
»Schon, aber nicht als Sport.«
Sie tranken ihren Whisky aus.
»Hat Lo Duca sich im Polizeipräsidium von Montelusa erkundigt, wie weit sie mit den Ermittlungen sind?«
»Ja. Aber sie haben ihm gesagt, es gebe noch keine neuen Erkenntnisse. Und ich fürchte, dabei wird's auch bleiben.«
»Das ist nicht gesagt. Trinkst du noch einen Whisky?«
»Nein, vielen Dank.«
»Was möchtest du machen?«
»Wenn du nichts dagegen hast, würde ich jetzt am liebsten nach Hause fahren.«
»Bist du müde?«
»Nein. Aber ich möchte mich gern gleich ins Bett legen und dann noch mal den ganzen Abend in Ruhe auf mich einwirken lassen.«
Am Parkplatz der Kaffeebar von Marinella war es für beide ganz selbstverständlich, sich zum Abschied zu umarmen und zu küssen. »Wie lang bist du noch hier?«
»Mindestens noch drei Tage. Ich ruf dich morgen an, um dir kurz Hallo zu sagen, wenn du willst.«
»Sehr gern.«
Vierzehn
Es war schon hell, als er die Augen aufschlug. Und an diesem Morgen wollte er sie nicht gleich wieder zumachen wie sonst zum Zeichen der Verweigerung gegenüber dem jeweiligen Tag. Vielleicht, weil er eine erholsame Nacht verbracht hatte und ohne Unterbrechung tief und fest geschlafen hatte, was in letzter Zeit äußerst selten vorkam. Er blieb liegen und betrachtete das ständig sich verändernde Spiel von Licht und Schatten, das die Sonnenstrahlen, die durch die Lamellen der Fensterläden drangen, an der Zimmerdecke veranstalteten. Ein Mann, der am Strand spazieren ging, wurde zu einer Figur, die von Giacometti hätte stammen können und aussah, als bestünde sie aus verschlungenen Wollfäden.
Er erinnerte sich, dass er als Kind manchmal eine ganze Stunde lang mit dem Auge fest in ein Kaleidoskop blicken konnte, das ihm sein Onkel gekauft hatte, und wie gebannt er gewesen war von dem ständigen Wechsel der Farben und Formen. Sein Onkel hatte ihm auch einen Blechrevolver gekauft, dessen Munition runde Scheiben aus dunkelrotem Papier waren, auf denen sich jeweils in der Mitte schwarze, leicht erhöhte Punkte befanden, die über die Trommel liefen und bei jedem Abdrücken Tschack-tschack machten…
Diese Erinnerung lenkte seine Gedanken plötzlich wieder auf die Schießerei zwischen Galluzzo und den beiden, die sein Haus hatten abbrennen wollen.
Und er dachte auch, wie merkwürdig es doch war, dass diejenigen, die etwas von ihm wollten, von dem er nicht wusste, was es war, fast vierundzwanzig Stunden hatten verstreichen lassen, ohne sich noch einmal zu melden. Und das, obwohl es doch den Anschein gehabt hatte, als stünden sie unter großem Zeitdruck! Warum ließen sie jetzt die Zügel schleifen?
Die Frage brachte ihn zum Schmunzeln, denn bis jetzt war es ihm nie in den Sinn gekommen, irgendwelche Begriffe aus der Welt des Reitsports zu verwenden.
War das eine Folge seiner derzeitigen Ermittlungen, oder hatte es vielleicht damit zu tun, dass sein Unterbewusstsein ihm nach dem Abend mit Rachele ein Schnippchen schlug?
Immerhin war Rachele eine Frau, die… Das Telefon klingelte.
Montalbano sprang aus dem Bett, wohl mehr, um eiligst vor dem Gedanken an Rachele zu
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