Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
nehme nur einen kleinen Salat«, sagte Rachele. Und an den Commissario gewandt: »Entschuldige, aber mehr schaffe ich nicht.«
»Macht doch nichts. Für mich auch nur einen kleinen Salat. Allerdings…«
»Allerdings?«, fragte der Kellner.
»… hätte ich dazu gern noch schwarze und grüne Oliven, Staudensellerie, Karotten, Kapern und alles, was dem Koch sonst noch so in den Sinn kommt.«
»Genauso möchte ich ihn auch haben«, fügte Rachele hinzu.
»Wünschen Sie noch eine Flasche Wein?«
Es war noch ausreichend Wein für zwei Gläser da, eines für jeden.
»Für mich nicht mehr«, sagte sie.
Montalbano winkte ab, und der Kellner entfernte sich, wahrscheinlich etwas enttäuscht angesichts der mageren Bestellung.
»Entschuldige wegen vorhin«, sagte Rachele. »Ich bin einfach aufgestanden und gegangen, ohne dir etwas zu sagen. Aber… ich wollte nicht vor dir anfangen zu weinen.« Montalbano sagte kein Wort.
»Das passiert mir schon mal, wenn auch leider nur ganz selten«, fuhr sie fort. »Warum sagst du leider?«
»Ach, weißt du, Salvo, es fällt mir einfach schwer, aus Kummer oder Schmerz zu weinen. Ich verschließe immer alles ganz tief in mir drin. So ist das bei mir.«
»Im Kommissariat habe ich dich aber weinen sehen.«
»Das war das zweite oder dritte Mal in meinem Leben. Seltsamerweise kommen mir allerdings sofort die Tränen, wenn ich … glücklich bin. Nein, glücklich wäre zu viel gesagt, ich meine eher solche Momente, in denen mich ganz plötzlich eine große Ruhe überkommt, alles ist geklärt, all die … Ach, genug davon, ich will dich jetzt nicht mit meinen Gemütszuständen langweilen.« Auch diesmal sagte Montalbano nichts. Aber er fragte sich, wie viele verschiedene Racheles sich wohl in Rachele verbargen.
Die, die er anfangs im Kommissariat kennengelernt hatte, war eine intelligente, vernünftige, ironische, äußerst beherrschte Frau; die, mit der er in Fiacca zu tun gehabt hatte, war eine Frau, die mit klarem Blick ihr Ziel verfolgte und zugleich in der Lage war, sich völlig gehen zu lassen und für einen Moment jegliche Kontrolle zu verlieren; die, die er jetzt vor sich hatte, war dagegen eine verletzliche Frau, die ihm, ohne es offen auszusprechen, gesagt hatte, wie unglücklich sie eigentlich war, wie selten für sie Augenblicke der Unbeschwertheit waren, Augenblicke, in denen sie in Einklang mit sich selbst lebte. Nun gut, aber was wusste er schon über Frauen? Madamina, il catalogo è questo, singt Leporello im Don Giovanni. Was er hingegen zu bieten hatte, war geradezu erbärmlich: eine Beziehung vor Livia, Livia, die junge Frau, deren Namen er nicht mehr aussprechen wollte, und Rachele.
Und Ingrid? Nun, das mit Ingrid war eine Sache für sich, die Beziehung zu ihr wandelte auf dem zugegebenermaßen sehr sehr schmalen Grad zwischen Freundschaft und irgendetwas anderem.
Natürlich hatte er im Verlauf seiner Ermittlungen einige Frauen kennengelernt, aber das waren eher Bekanntschaften in Ausnahmesituationen gewesen, wo die Frauen alles daransetzten, ihm eine Seite von sich zu zeigen, die nicht der Wirklichkeit entsprach.
Der Kellner brachte den Salat. Und der erfrischte Zunge, Gaumen und Gedanken. »Trinkst du einen Whisky?«
»Ja, warum nicht?«
Sie bestellten, und er wurde ihnen umgehend gebracht.
Jetzt war der Augenblick gekommen, über die Sache zu sprechen, die Rachele am Herzen lag.
»Ich habe eine Zeitschrift mitgebracht, allerdings habe ich die im Auto liegen lassen«, begann Montalbano.
»Was für eine Zeitschrift?«
»Die mit den Fotos von Lo Ducas Pferden. Ich hatte dir am Telefon davon erzählt.«
»Ach ja. Und ich meine, ich hätte dir gesagt, dass meins einen sternförmigen Flecken auf der Seite hatte. Der arme Super!«
»Woher hast du eigentlich diese Leidenschaft für Pferde?«
»Die hat mein Vater mir vererbt. Du weißt sicher nicht, dass ich mal Europameisterin war.« Montalbano war bass erstaunt. »Wirklich?«
»Ja. Ich habe auch zweimal das Rennen an der Piazza di Siena in Rom gewonnen, ich habe in Madrid und in Longchamps gewonnen… Verblichener Ruhm.« Eine Pause trat ein. Montalbano beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen. »Warum wolltest du mich unbedingt treffen?« Sie zuckte zusammen, wohl wegen des direkten Vorstoßes, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Dann setzte sie sich aufrecht hin, und Commissario Montalbano begriff, dass ihm nun die Rachele gegenübersaß, die er im Kommissariat kennengelernt hatte.
»Aus zwei
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