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Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Titel: Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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erkannte die Handschrift sofort. Es war die des alten Polizeipräsidenten Burlando, der ihm oft geschrieben hatte, nachdem er in den Ruhestand gegangen war. Wie kam es aber, dass dieses Stück eines alten Briefes in Bonetti-Alderighis Hände geraten war? Und überhaupt, was hatten diese eineinhalb Wörter mit dem Vorwurf zu tun, er würde sich wie ein kleiner Junge aufführen? Weil er keine Ahnung hatte, worauf das Ganze hinauslief, beschloss er, dass Angriff die beste Verteidigung sei.
    »Was soll denn dieses Stück Papier?«, fragte er und machte ein halb überraschtes und halb verwirrtes Gesicht.
    »Erkennen Sie die Handschrift denn nicht?«
    »Nein.«
    »Würden Sie es einmal laut vorlesen?«
    »Sicher. ›Lieber Mont‹ und weiter nichts.«
    »Wie könnte Ihrer Meinung nach der vollständige Name lauten?«
    »Na ja, ich versuch’s mal. Lieber Montale, das ist der Dichter, Lieber Montanelli, das wäre der Journalist, Lieber Montezuma, das war ein König der Azteken, Lieber Montgomery, das wäre jener englische General, der …«
    »Und Lieber Montalbano nicht?«
    »Doch, auch.«
    »Hören Sie, Montalbano, reden wir Klartext. Dieses Fragment wurde mir vom Journalisten Pippo Ragonese gebracht, der es in einem Müllsack gefunden hat.«
    Montalbano machte ein völlig verblüfftes Gesicht.
    »Wühlt Ragonese auch in Müllsäcken rum?! Wissen Sie, das ist eine Art Laster. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Menschen … auch solche, denen es gut geht, wissen Sie … nachts von Haus zu Haus ziehen und …«
    »Mich interessieren die Gewohnheiten gewisser Leute nicht«, schnitt der Polizeipräsident ihm das Wort ab. »Tatsache ist, dass Ragonese auf diesen Fitzel eines Briefes in einem der beiden Müllsäcke gestoßen ist, die er aufgrund eines falschen Anrufs an einer bestimmten Stelle finden sollte. Dabei handelte es sich um einen Racheakt.«
    Als er den Müll unter seiner Veranda hervorgeholt hatte, war offensichtlich auch dieser Brieffitzel dabei gewesen, was er aber nicht bemerkt hatte.
    »Signor Questore, Sie müssen schon entschuldigen, aber offen gestanden habe ich nichts von all dem begriffen, was Sie mir da erzählen. Worin sollte die Rache denn bestehen? In dem falschen Anruf? Wenn Sie mir das genauer erklären könnten …«
    Der Polizeipräsident seufzte.
    »Schauen Sie, der Journalist hat ein paar Abende zuvor im Fernsehen den Fund dieser Leiche im Müllsack kommentiert und gesagt, Sie hätten einem anderen Plastiksack keine Bedeutung beigemessen, dessen Inhalt …«
    Er unterbrach sich, die Erklärung fing an, kompliziert zu werden.
    »Haben Sie die Sendung gesehen?«, fragte er hoffnungsvoll.
    »Nein, bedauere.«
    »Hören Sie, lassen wir das Wie und Warum außer Acht. Ich sage Ihnen lediglich, Ragonese ist überzeugt davon, dass Sie ihn beleidigt haben.«
    »Ich soll ihn beleidigt haben? Wie denn?«
    »An einem der beiden Säcke war ein Blatt befestigt, auf dem ›Arschloch‹ geschrieben stand.«
    »Signor Questore, entschuldigen Sie bitte, aber Arschlöcher gibt es zu Milliarden! Warum ist Ragonese so ein Arschloch, dass er annimmt, ausgerechnet er wäre dieses bewusste Arschloch?«
    »Weil es beweisen würde …«
    »Beweisen würde?! Was denn, Signor Questore?«
    Den bebenden Finger auf Bonetti-Alderighi gerichtet, beleidigte Miene, Stimme eines Halbkastrierten: Beginn der Schlüsselszene.
    »Ach! Und Sie, Signor Questore, haben einer völlig aus der Luft gegriffenen Anschuldigung Glauben geschenkt! Sie werfen mir eine Schuld vor, nein, mehr noch, für einen Mann des Gesetzes wie mich handelt es sich um ein Verbrechen, ein Verbrechen, das eine strenge Strafe verdienen würde! Als wäre ich ein Idiot oder ein Spieler! Welche Dämonen jagen eigentlich durch den Kopf dieses Journalisten?«
    Ende der Schlüsselszene. Er beglückwünschte sich selbst, denn es war ihm gelungen, in zwei Sätzen mehrere Titel von Dostojewski-Romanen unterzubringen. Ob der Polizeipräsident das auch gemerkt hatte? Ach woher!
    »Nun regen Sie sich doch nicht so auf, Montalbano! Nun kommen Sie schon, eigentlich …«
    »Was heißt denn hier: Kommen Sie schon! Was heißt denn hier: eigentlich! Ich bin von diesem Herrn beleidigt worden! Soll ich Ihnen etwas sagen, Signor Questore? Ich werde unverzüglich die schriftliche Entschuldigung des Herrn Journalisten Ragonese fordern! Nein, mehr noch: Er muss sie öffentlich bekannt geben, im Fernsehen! Anderenfalls berufe ich eine Pressekonferenz ein und erzähle

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