Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels
jedem angehenden Mörder empfehlen. Ein Pistolenschuss verursacht einen Knall, den die Nachbarn hören könnten. Bei einem Messerstich ist alles mit Blut verschmiert, der Boden, die Kleider … Gift dagegen … Finden Sie nicht auch?«
»Und das Gesicht?«
»Das haben sie bearbeitet, als er schon hinüber war.«
»Offenbar, um die Identifizierung zu erschweren.«
»Ich stelle erfreut fest, Commissario, dass Sie trotz Ihres fortgeschrittenen Alters noch einigermaßen klar im Kopf sind.«
Montalbano beschloss, diese Provokation zu ignorieren.
»Wie steht es mit den Fingerkuppen?«
»Unversehrt, wie der ganze übrige Körper.«
»Dann sind seine Fingerabdrücke also nicht polizeilich registriert.«
»Eine messerscharfe Schlussfolgerung von äußerster logischer Stringenz, Kompliment! Und sollten Sie jetzt damit fertig sein, mir auf den Sack zu gehen, würde ich Sie …«
»Eine letzte Frage: War er verheiratet?«
»Das fragen Sie mich? Ich weiß nur, dass er keine Abdrücke eines Rings an den Fingern hatte. Aber das heißt natürlich gar nichts.«
»Noch eine Sache. Können Sie mir sagen, ob …«
»O nein, mein Lieber! Sie haben gesagt, die Frage nach dem Ehestand ist Ihre letzte. Halten Sie Wort, wenigstens ein Mal in Ihrem Leben!«
Da er schon einmal hier war, wollte er auch gleich im Polizeipräsidium bei der Spurensicherung vorbeischauen. Der Leiter der Abteilung, Vanni Arquà, der ihm nicht sonderlich sympathisch war, hatte Urlaub und wurde von seinem Vize Cusumano vertreten.
»Was kannst du mir sagen?«
»Womit soll ich anfangen?«
»Mit dem Schlauchboot.«
»Ein kleines Ruderboot …«
»Lagen da Ruder drin? Ich hab keine gesehen.«
»Nein. Sie sind entweder ins Wasser gefallen, oder das Schlauchboot wurde gezogen. Ich fahre fort: englisches Fabrikat, ein gängiges Modell. Keine Fingerabdrücke, sie haben mit Handschuhen gearbeitet. Die Leiche wurde ins Boot gelegt, kurz bevor es entdeckt wurde.«
»Danke.«
»Zum Schlauchboot gibt es noch etwas zu sagen. Es weist keine Gebrauchsspuren auf.«
»Das heißt?«
»Dass es unserer Ansicht nach eigens zu diesem Zweck aus der Verpackung genommen und aufgepumpt wurde. Im Innern klebten hier und da noch die Zellophanreste der Originalverpackung.«
»Und die Leiche?«
»Nichts. Sie war vollständig nackt. Allerdings …«
»Ja?«
»Aber Vorsicht, das ist nur mein Eindruck.«
»Sag’s trotzdem.«
»Bevor der Kapitän die Leiche geborgen hat, hat er Fotos machen lassen, die er uns übergeben hat. Willst du sie sehen?«
»Nein. Was ist dein Eindruck?«
»Wie er da im Schlauchboot liegt, sticht es noch deutlicher ins Auge, wie hell seine Haut ist. Er war mit Sicherheit kein Seemann.«
»Ah, Dottori, da sind Sie ja! Fazio hat mir gesagt, ich soll ihm Bescheid sagen, sobald Sie da sind!«
»Dann sag ihm Bescheid.«
Zwei Minuten später stand Fazio mit gewichtiger Miene in seinem Büro.
Ohne Platz zu nehmen, erklärte er: »Zuerst müssen wir eine Abmachung treffen, Dottore.«
»Soll heißen?«
»Dass Sie sich nicht aufregen und mich nicht beschimpfen, wenn ich ab und zu in meine Notizen schaue.«
»Nur wenn es keine meldeamtlichen Daten sind, die du da abliest …«
»In Ordnung.«
Fazio setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.
»Mit wem soll ich anfangen?«
»Mit der Besitzerin.«
»Eine Frau mit einem Temperament, das …«
»Ist mir bekannt. Weiter.«
»Sie heißt Livia …«
Weiß der Himmel weshalb, aber Montalbano zuckte zusammen. Fazio sah ihn verwundert an.
»Ihre Verlobte hat keinen Exklusivanspruch auf diesen Namen, Dottore. Livia Giovannini, geborene Acciai, aus Livorno, sie ist gerade zweiundfünfzig geworden, was man ihr aber nicht ansieht. In ihrer Jugend war sie nach eigenen Angaben Model, Maurilio Alvarez zufolge war sie eine Nutte.«
»Und wer ist dieser Alvarez?«
»Der Maschinist, aber zu dem komme ich noch. Mit fünfunddreißig lernt diese Livia in Forte dei Marmi den Ingenieur Arturo Giovannini kennen, einen sagenhaft reichen Ingenieur, der sich in sie verliebt und sie heiratet. Die Ehe dauert zehn Jahre, dann stirbt der Mann.«
»An Altersschwäche?«
»Die beiden waren gleich alt, Dottore. Der Ärmste ist bei einem schweren Sturm aus dem Boot gefallen und …«
»Sag bitte nicht ›Boot‹.«
»Was soll ich denn sonst sagen?«
»Yacht.«
»Er ist ins Meer gefallen, aber die Leiche wurde nie geborgen.«
»Und wer hat dir diese Geschichte erzählt?«
»Sie, die Witwe.«
»Und
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