Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels
weiter?«
»Was weiß ich, Sie könnten Ausflüge machen. Nach Fiacca zum Beispiel. Dort backen sie eine Pizza, die Tabisca, und …«
»Dazu bräuchte ich ein Auto.«
»Können Sie nicht das Ihrer Nichte nehmen?«
Sie sah ihn verständnislos an.
»Welche Nichte?«
Drei
Vielleicht hat sie mehrere, überlegte Montalbano.
»Ihre Nichte Vanna.«
Die Frau sah ihn an, als redete er Mamelukisch.
»Vanna?!«
»Ja, eine Dreißigjährige mit Brille und schwarzen Haaren, die in Palermo lebt und mit Nachnamen … Moment … ach ja, Digiulio heißt.«
»Ah, die. Die ist schon wieder weg«, antwortete die Frau.
Montalbano war nicht entgangen, dass sie einen kurzen Blick mit dem Kapitän gewechselt hatte. Er verzichtete besser darauf, weiter nachzubohren.
»Sie könnten sich ein Auto mieten, mit oder ohne Fahrer«, schlug Dottor Raccuglia vor.
»Ich werd’s mir überlegen«, sagte die Frau. »Entschuldigen Sie mich.«
Damit zog sie sich wieder in ihre Kabine zurück.
»Eine sehr eigenwillige Person«, merkte der Leutnant an.
Kapitän Sperlì verdrehte die Augen, um anzudeuten, wie sehr er unter ihr zu leiden hatte, und breitete die Arme aus.
»Wollten Sie mich nicht etwas fragen?«, wandte sich der Arzt an den Commissario.
»Das hat sich erledigt«, gab Montalbano zurück.
Ihn beschäftigten andere Dinge.
Als sie wieder oben an Deck waren, bemerkte der Commissario, dass neben der Vanna ein riesiger Motorkreuzer angelegt hatte, eine Superyacht, wie man sie aus James-Bond-Filmen kennt. Und siehe da, sie fuhr gleichfalls unter panamaischer Flagge.
»Ist sie gerade erst angekommen?«, wandte sich der Commissario an den Leutnant.
»Nein, sie liegt schon seit fünf Tagen im Hafen. Anscheinend haben sie einen Motorencheck gemacht. Sie haben die Motoren überprüft, und als sie sahen, dass etwas nicht in Ordnung war, haben sie einen Fachmann aus Amsterdam kommen lassen.«
Vom Kai aus konnte Montalbano den Namen der Yacht lesen: Asso di cuori , Herzass. Dottor Raccuglia verabschiedete sich und ging zu seinem Wagen.
»Ich würde Sie gern etwas fragen«, sagte der Leutnant.
»Bitte.«
»Warum haben Sie sich für die Vanna interessiert, noch bevor wir das mit dem Toten im Schlauchboot überhaupt wussten?«
Eine intelligente Frage, die auf einen ausgeprägten detektivischen Spürsinn hindeutete. Im ersten Moment brachte er den Commissario damit ganz schön in Verlegenheit. Doch Montalbano beschloss, ihm nur die halbe Wahrheit zu sagen.
»Diese Nichte, die ich erwähnt habe und die nach Auskunft der Signora gleich wieder abgereist ist, hat sich an das Kommissariat gewandt, weil …«
»Ich verstehe«, erwiderte Garrufo.
»Ich werde mich wohl schon sehr bald wieder bei Ihnen melden«, meinte Montalbano zum Abschied.
»Ich stehe zu Ihrer Verfügung.«
Sie verabschiedeten sich per Handschlag.
Montalbano folgte dem Wagen des Leutnants in einem gewissen Abstand und beobachtete, wie er parkte, ausstieg und die Hafenmeisterei betrat. Dann ließ er fünf Minuten verstreichen und ging selber hinein.
»Sie wünschen?«, fragte der Wachposten.
»Ich bräuchte eine Auskunft.«
»Erste Tür rechts.«
Hinter einem Schalter saß ein älterer Maresciallo, der das Kreuzworträtselheft Settimana enigmistica vor sich aufgeschlagen hatte.
»Guten Tag. Ich bin Commissario Montalbano«, sagte Montalbano und zeigte ihm seinen Dienstausweis.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Hatten Sie heute Morgen Dienst?«
»Ja.«
»Erinnern Sie sich an eine Dreißigjährige mit Brille, die nach einer Yacht gefragt hat, der Vanna …«
»Moment mal«, unterbrach ihn der Maresciallo. »Ich erinnere mich sehr gut an die Frau, aber sie hat nicht nach einer Yacht gefragt.«
»Sind Sie sicher?«
»Sehen Sie, Commissario, Sie sind heute der Vierte, der dieses Büro betritt: drei Männer, einschließlich Ihnen, und eine Frau. Wie soll ich mich da irren?«
»Und was wollte sie?«
»Sie wollte wissen, ob hier in der Hafenmeisterei jemand arbeitet mit dem Namen … Warten Sie, ich schaue nach. Ich habe nämlich auch bei der Küstenwache nachgefragt … hier … Angelo Spitaleri, ihr Cousin.«
»Und? Gibt es hier jemanden mit diesem Namen?«
»Nein.«
Diese junge Frau – weiß der Himmel, wie sie tatsächlich hieß – hatte ihn ganz schön an der Nase herumgeführt, so viel stand fest.
Wie ein begossener Pudel, eine gebadete Maus war sie ihm vorgekommen! Mitleid hatte er mit ihr gehabt!
In Wirklichkeit war sie eine erstklassige
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