Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
nickte.
«Spaur und Stumm waren im gleichen Regiment. Stumm soll vor
Jahren in Wien eine Prostituierte misshandelt
haben.»
    «Ein Mann mit
zwei Gesichtern also?»
    Tron musste daran
denken, dass der Ispettore völlig anders aussah, wenn er nicht
in seiner geschniegelten Uniform steckte, und dass ihn das jedes
Mal erstaunte. Selbst Bossis Gesicht schien dann ein anderes zu
sein. Er lächelte. «Die meisten Menschen haben zwei
Gesichter, Bossi.»
    «Meinen Sie,
dass der Oberst selber in diese Geschichte verwickelt ist? Und wenn
- was hat er hier gewollt?»
    «Er ist
gekommen», sagte Tron, «um uns eine Erklärung
für seinen bizarren Auftritt in der Questura zu liefern. Und
um uns mitzuteilen, dass Grassi Signorina Calatafimi getötet
haben könnte. Außerdem hätten wir früher oder
später die Identität der beiden Verehrer ermittelt. Und
dann hätte uns der Oberst erklären müssen, warum er
sich nicht sofort gemeldet hat. Was ihn verdächtig gemacht
hätte.»   
    Tron sah, wie Bossis
Augen blitzten. Die Vorstellung, dass ein kaiserlicher Offizier in
diesen brutalen Mord verwickelt sein könnte, gefiel ihm
offensichtlich schon aus patriotischen
Gründen.« Halten Sie ihn für
verdächtig?»
    «Darüber
denke ich nach», sagte Tron, «wenn wir mit Grassi
gesprochen haben.»
    Bossi sprang auf und
zog seine Uniform glatt. «Worauf warten wir noch,
Commissario?»
    Tron hatte sich
ebenfalls erhoben. «Wir nehmen Pucci und Caruso mit»,
sagte er. «Die können vor der Macceleria warten,
während wir mit Grassi reden.»

14
    Die Macelleria von
Signor Grassi war das einzige Geschäft am Campo San Giobbe.
Der Laden hatte, ungewöhnlich für Geschäfte in
Cannaregio, ein Schaufenster. Neben dem Eingang hingen drei an den
Füßen zusammengebundene Fasane, die mit ihren
schillernden Federn aussahen wie Blumensträuße. Im
Schaufenster lag, auf einer großen Anrichteplatte aus
Porzellan und umgeben von allerlei dekorativem Grünzeug, ein
rosiges, wie angemalt wirkendes Ferkel. Das Tier hatte weit
aufgerissene Augen, und aus seinem halbgeöffneten Maul ragte
eine Tomate. Ein riesiges Messer und eine riesige Gabel steckten in
seinem Rücken, so als wäre ein Oger gerade dabei, das
Tier zu verspeisen. Als Tron näher trat und sich fasziniert
herabbeugte, stellte er fest, dass das Ferkel aus Wachs war und die
Augen aus Glas. 
    Grassi stand hinter
dem Tresen und war gerade damit beschäftigt, einer Kundin ein
Stück Schinken abzuschneiden, als Tron und Bossi sein
Geschäft betraten. Er trug eine weiße Schürze und
hatte eine weiße Mütze auf dem Kopf.
    Nachdem er den
Schinken eingewickelt und kassiert hatte, trat er zur
Eingangstür und schloss sie ab. Dann begab er sich wieder
hinter den Tresen und sagte, indem er Tron und Bossi flüchtig
musterte: «Was kann ich für Sie tun?»
    Grassis Gesicht war
bleich, ausdruckslos und starr wie eine Maske. Er bewegte sich im
Schneckentempo, und sein Gang war steif und ungelenk wie bei einer
Marionette.
    «Uns ein paar
Fragen beantworten, Signore», sagte Tron.
    Grassi lächelte
müde. «Geht es um die Trikolore, die ich auf der Piazza
getragen habe?»
    In der Questura hatte
Tron nicht darauf geachtet, aber jetzt fiel ihm auf, dass Grassis
Italienisch einen Akzent hatte, den er nicht einordnen konnte. Aus
den Augenwinkeln sah er, dass Bossi die Stirn runzelte.
    «Es geht um
etwas ganz anderes, Signor Grassi», sagte Tron. «Darf
ich fragen, wo Sie herstammen?»
    «Aus Triest.
Meine Mutter kam aus dem Friaul, mein Vater aus
Mailand.»
    Na, bitte. Kein
Wunder, dass es schwierig war, Grassis Akzent einzuordnen. Dass der
Gondoliere jemanden, der so sprach, für einen Ausländer
hielt, war gut vorstellbar.
    «Wir sind hier,
weil wir ein längeres Gespräch mit Oberst von Bordwehr
geführt haben», sagte Tron.
    Tron hatte, als er den
Österreicher erwähnte, eine Reaktion erwartet, aber
Grassis Miene zeigte keine Regung. «Und wie kann ich Ihnen
behilflich sein?»
    «Kannten Sie
eine Signorina Calatafimi?»
    Grassi schwieg einen
Moment. Dann sagte er zögernd: «Ja, ich kannte
sie.»
    «Sie wissen,
dass sie tot ist?»
    «Ja, das
weiß ich.»
    «Würden Sie
uns verraten, in welcher Beziehung Sie zu Signorina Calatafimi
gestanden haben?»
    Grassi hatte nun eines
der Messer ergriffen, die auf dem Tresen lagen, und fing an, die
Klinge mit routinierten Be-wegungen abzuziehen. «Ich habe sie
relativ häufig getroffen», sagte er
schließlich.
    «Wie
häufig?», erkundigte sich Bossi.
    Grassi legte

Weitere Kostenlose Bücher