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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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das
Messer zurück auf den Tresen und dachte kurz nach.
«Vielleicht dreimal in der Woche.»
    «Und
wo?»
    «In einem
kleinen Hotel in der Nähe der Locanda.»
    «Hatten Sie eine
spezielle Beziehung zu der Signorina?»
    «Die Signorina
wollte sich beruflich verändern», sagte Grassi.
«Ich hatte ihr meine Unterstützung angeboten. Sie
hätte mir im Geschäft behilflich sein
können.»
    Tron gefiel die
Wendung beruflich
verändern. «Wollte Signorina Calatafimi
Ihr Angebot annehmen?»
    «Sie hatte
Schwierigkeiten, sich zu entscheiden.»
    «Oberst Stumm
hat behauptet», sagte Tron, «Sie hätten gedroht,
die Signorina zu töten, wenn sie weiterhin ihrer
Tätigkeit nachgeht.»
    Grassis Blick klebte
an einem Blutfleck, den er auf dem Tresen entdeckt hatte.
«Wir hatten hin und wieder Streit», sagte er.
«Vielleicht hat mich Signorina Calatafimi
missverstanden.» Dann hob er den Kopf und sah Tron
wütend an. «Ich frage mich, warum der Oberst eine solche
Behauptung aufstellt.»
    «Und was
wäre Ihre Antwort?»
    «Vielleicht
wollte er von sich selbst ablenken. Die Vorstellung, wie Gina ihr
Geld verdient, hat ihn ebenso irritiert wie mich.»
    «Sie meinen, ein
kaiserlicher Oberst interessiert sich ernsthaft für eine
...» Tron brach den Satz ab, weil ihm plötzlich bewusst
wurde, wie kränkend und herzlos seine Worte sich für
Grassi anhören mussten.
    Als Grassi antwortete,
sah Tron keine Wut in seinen Augen, sondern nur Traurigkeit.
«Sprechen Sie es ruhig aus, Commissario», sagte Grassi.
«Gina war eine mammola.» Er hatte
plötzlich einen nassen Lappen in der Hand und fing an, die
Marmorplatte auf dem Tresen abzuwischen. «Vielleicht hat er
Ihnen nur deshalb erzählt, ich hätte Signorina Calatafimi
bedroht, weil er sie selber bedroht hat», sagte
er.
    «Und auch
getötet?»
    Grassi zuckte mit den
Achseln. «Das herauszufinden ist Ihre Aufgabe,
Commissario.»
    «Aber wenn er es
tatsächlich getan hat — warum hat er uns dann in der
Questura aufgesucht? Warum hat er sich dann freiwillig in die
Höhle des Löwen begeben?»
    Grassi sah Tron
verständnislos an. «Weil Sie früher oder
später auf ihn gestoßen wären», sagte
Grassi.
    Er bückte sich,
bis seine Augen auf gleicher Höhe mit der Marmorplatte waren,
und wischte mehrmals über den Blutfleck, bis er verschwunden
war. «Sie hätten», fuhr Grassi fort, «die
Kundschaft von Signorina Calatafimi unter die Lupe genommen und
wären irgendwann auf mich und den Oberst
gestoßen.»
    «Und warum
haben Sie uns dann nicht
aufgesucht?»
    «Weil mehr gegen
mich spricht als gegen den Oberst», sagte Grassi.
«Einem kaiserlichen Offizier glaubt man eher als einem
Schlachter aus Cannaregio. Auch wenn der Oberst seine
Gewalttätigkeit bewiesen hat.» Grassi warf den Lappen
auf den Tresen und sah Tron eindringlich an. «Haben Sie
festgestellt, wo sich der Oberst am Dienstagabend aufgehalten
hat?»
    Tron ließ die
Frage unbeantwortet. Stattdessen sagte er: «Vielleicht
können Sie uns erzählen, wo Sie Dienstagabend gewesen
sind.»
    «Ich habe meinen
Laden um sieben Uhr geschlossen», sagte Grassi. «Dann
habe ich sauber gemacht und bin nach oben in meine Wohnung
gegangen.» «Sie waren die ganze Nacht in Ihrer
Wohnung?»
    Signor Grassi
nickte.
    «Hatten Sie
Besuch?»
    Grassi senkte den
Kopf. «Nein.»
    «Es gibt also
keine Zeugen dafür, dass Sie das Haus nicht noch einmal
verlassen haben?»
    Grassi senkte den Kopf
noch ein wenig tiefer. «Leider nicht.»
    Tron sah, wie Grassi
nach dem Messer griff, das immer noch auf dem Tresen lag, und die
Schärfe der Klinge mit dem Daumen prüfte. Grassi hatte
die Lippen geschürzt und schien über etwas nachzudenken.
Aus den Augenwinkeln sah Tron, wie Bossis Hand nach dem
Lederholster mit der Dienstwaffe tastete.
    «Ich
fürchte», sagte Tron, indem er vorsichtshalber einen
Schritt zurücktrat, «wir müssen Sie bitten, mit auf
die Questura zu kommen, Signor Grassi.»
    Grassis Gesicht war
auf einmal totenblass. «Bin ich verhaftet?»
    «Es geht
lediglich darum, ein Protokoll aufzunehmen.»
    Grassi legte das
Messer auf den Tisch zurück. Wieder schien er über etwas
nachzudenken. Dann lächelte er friedlich. «Darf ich kurz
nach hinten gehen und mir etwas überziehen,
Commissario?»
    «Selbstverständlich»,
sagte Tron. Bevor sie das Geschäft betraten, hatten sie sich
davon überzeugt, dass es keinen Hinterausgang gab.
    Grassi verschwand
durch eine halb angelehnte Tür, die hinter dem Tresen zu sehen
war. Die Tür fiel ins Schloss, und

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