Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas
und der Korridor endete in einem hell erleuchteten Raum. Er besaß die gleichen sauberen grünen Wände, die sie mit einem Operationssaal in Verbindung brachte, und die Luft war ähnlich kühl und trocken. Mehrere hohe Gestelle voller Elektronik standen in weitem Kreis um etwas herum, das aussah wie ein gläserner Sarg. Im Sarg lag Paul Cramley. Er schwebte in einer durchsichtigen pinkfarbenen Flüssigkeit. Er war nackt, das Gesicht von einer konischen Maske aus nacktem Fleisch bedeckt, deren Apex in einen dicken Luftschlauch mündete, welcher in einem Anschluss in der oberen Ecke des Sargs endete. Hunderte von Fasern, nicht dicker als menschliches Haar, sprossen aus der Haut entlang seiner Wirbelsäule, und alle paar Zentimeter waren Bündel davon ineinander verdrillt und endeten in dicken, faseroptischen Kabeln.
Mellanie trat zu dem Sarg und spähte hinein. Die gallertartige pinkfarbene Flüssigkeit vergrößerte Pauls alten Körper auf eine Weise, die Mellanie nicht gebraucht hätte, doch sie konnte sehen, dass er noch am Leben war. Seine Brust hob und senkte sich in langsamen, regelmäßigen Abständen.
Ein Portal auf einem der Gestelle wurde hell und zeigte das Gesicht eines jungen Mannes. Es ähnelte Paul sehr stark. »Hallo, junge Mellanie, willkommen in meinem Nest.«
Mellanie starrte von dem Körper im Sarg zu dem Portal. »Coole Apparatur. Paranoid, aber cool.«
»Nun, ich lebe noch, oder?« Das Bild auf dem Portal grinste.
Es war ein recht hübsches Gesicht, dachte Mellanie, was sie mehr beunruhigte, als sie zuzugeben bereit war. »Bist du verletzt? Ist das ein Rejuvenationstank?«
»Ganz und gar nicht, nein. Das ist eine Maximum-Interface-Einheit. Mein Nervensystem ist vollständig mit dem großen Array hier in der Krypta vernetzt, jede Empfindung ist ein künstlicher Impuls. Du hast virtuelle Sicht, Mellanie, ich hingegen habe virtuellen Geruch, virtuellen Geschmack, virtuelles Temperaturempfinden, virtuellen Tastsinn, virtuelles Gehör, einfach alles. Was mein Gehirn als Gehen interpretiert, ist in Wirklichkeit eine Richtungsanweisung zum Zugriff auf Bereiche der Unisphäre und die mit ihr verbundenen Arrays. Meine Hände können Programme und Dateien in erstaunlichem Ausmaß manipulieren, und das alles in atemberaubender Geschwindigkeit.«
»Morty hat immer gesagt, du wärst ein totaler Webhead.«
»Wie Recht er damit hatte.«
»Was ist gestern Nacht hier passiert, Paul?«
»Das war kein Einbruch. Sie wurden geschickt, um mich zu ermorden. Ich habe einen fokussierten EMP benutzt, um ihre Inserts zu deaktivieren, und … die Natur nahm ihren Lauf. Ganz zu schweigen von Dummheit.«
»Wer waren sie?«
»Gute Frage. Möchtest du anfangen zu handeln?«
Mellanie hatte das Gefühl, als würde ihre Position der Sicherheit ins Wanken geraten. Ihre ursprüngliche Einschätzung von Paul war erbärmlich daneben. Sämtliche Hinweise waren da gewesen, wenn sie sich nur die Mühe gemacht hätte, darüber nachzudenken. Ein verarmter, heruntergekommener Vierhundertjähriger? Also wirklich! »Du schuldest mir Alessandra Barron, weil ich dir vom Starflyer erzählt habe.«
»Wie du meinst. Die Barron empfängt und sendet eine große Menge von verschlüsselten Daten über die gesamte Unisphäre hinweg.«
»A-ha!«
»Unglücklicherweise sind die schützenden Monitore, die sie benutzt, ganz ausgezeichnet. Die Person, die sie einsetzt, hatte tatsächlich Erfolg damit, meine eigene Operation zurückzuverfolgen. Das ist erstaunlich. Außer der SI kenne ich höchstens ein Dutzend Webheads im gesamten Commonwealth, die sich so einer Leistung rühmen könnten. Diese unbekannte Person verfügt über Fähigkeiten, die meinen eigenen gleichkommen – eine Entwicklung, die ich weitaus bestürzender finde als die Tatsache, dass Paula Myo von der SI beschützt wird. Es ist ganz offensichtlich, dass die Barron etwas sehr Bedeutsames zu verbergen hat.«
»Das habe ich dir gleich gesagt. Und es war wahrscheinlich der Starflyer, der dich aufgespürt hat. Ich muss wissen, wer sonst noch mit ihm unter einer Decke steckt.«
»Zum Beispiel Marlon Simmonds und Roderick Deakins, die beiden, die gestern Nacht in meinen Bungalow eingebrochen sind.«
»Das ist wirklich eine große Hilfe, Paul. Deine kleinen Alien-Schoßhündchen haben sich um die beiden gekümmert.«
»Sei ein wenig geduldig mit mir, Mellanie. Es ist die Verbindung, die das Ganze interessant macht. Nachdem ich ihre Identität herausgefunden hatte, griff ich auf
Weitere Kostenlose Bücher