Conan der Freibeuter
tagsüber zurückhalten und uns nachts nur so weit nähern, daß wir die Lichter sehen. Wenn wir Glück haben, wird Zarono überhaupt nicht auf uns aufmerksam.«
Conan grinste vergnügt. Er atmete tief ein und wieder aus. Das war das Leben, das ihm behagte: ein festes Deck unter den Füßen, ein halbes Hundert hartgesottener Burschen unter seinem Befehl, das weite Meer, ein Gegner – und ein aufregendes Abenteuer, das seiner harrte.
Mit allen Segeln – außer dem verräterischen Marssegel – folgte die Tagedieb dem Kielwasser der Albatros südostwärts, während die blendende Sonne am blauen Himmel immer höherstieg und die Delphine neugierig durch die türkisfarbenen Wellen hüpften.
3. Das Ende der Seekönigin
3
DAS ENDE DER SEEKÖNIGIN
Die Karavelle Seekönigin, die königliche Jacht, hatte die Strecke zwischen der zingaranischen Küste und den Barachan-Inseln glücklich passiert. Die Inselgruppe war ein berüchtigter Schlupfwinkel von Piraten – hauptsächlich Argossanern. Doch trieben sich offenbar gerade keine Seeräuber in diesem Teil des Westlichen Ozeans herum. Und dann hatte die Karavelle die Grenze zwischen Zingara und Argos hinter sich gebracht.
Die argossanische Küste blieb im Osten zurück. Kapitän Kapellez folgte Chabelas Befehl und schwenkte nach Backbord ab, doch nicht so jäh, wie die Küste verlief, bis diese vom Ausguck kaum noch zu sehen war.
Zwei Gründe gab es für diesen Kurs. Der eine war, die Küste von Shem nahe Asgulan so schnell wie möglich zu erreichen, der zweite, möglichst zu verhindern, daß argossanische Piraten (die ihren Stützpunkt auf dem Festland hatten) oder ein Kaperschiff der Seekönigin nachsetzten.
Doch nun war bereits seit dem Vormittag eine schwarze Karracke hinter der königlichen Jacht in Sichtweite, und am frühen Nachmittag war sie so nahe herangekommen, daß scharfe Augen ihren Namen ausmachen konnten.
»Wir haben nichts zu befürchten«, versicherte Kapitän Kapellez der Prinzessin. »Es ist eines der Kaperschiffe im Dienst Eures königlichen Vaters, Hoheit, nämlich die Albatros unter dem Kommando von Kapitän Zarono.«
Seine Worte beruhigten Chabela keinesfalls. Etwas Unheildrohendes ging von dem schwarzen Schiff aus, das stetig näherkam, obwohl es natürlich durchaus Zufall sein mochte, daß die Karracke den gleichen Kurs wie die Seekönigin verfolgte.
Auch der Name Zarono war keine Beruhigung für sie. Sie war dem Mann nur hin und wieder am Hof begegnet, wenn er dort etwas zu tun gehabt hatte. Aber es waren ihr häßliche Gerüchte über den Freibeuter zu Ohren gekommen. Eine ihrer Freundinnen, Lady Estrallada, hatte der Prinzessin auch zugetragen, daß Zarono sehr von Chabelas Reizen angetan sei. Chabela hatte nicht weiter darauf geachtet, denn es gab immer ungebundene Männer an einem Hof, die sich für Königstöchter interessierten, schon deshalb, weil sie hofften, Prinzgemahl zu werden.
Inzwischen war Chabelas Argwohn gewachsen. Drei Tage waren seit dem Aufbruch der Seekönigin vergangen, und die Kunde vom Verschwinden der Prinzessin mußte Tagesgespräch sein. Zweifellos befand sich der ganze Palast in Aufruhr.
Vielleicht ist die Aufregung über mein Verschwinden groß genug, selbst meinen Vater aus seiner Erstarrung zu reißen, dachte sie. Und möglicherweise hat er mir Zarono nachgeschickt, um mich zurückzubringen.
Chabela sprach noch ein paar höfliche, aber geistesabwesende Worte zu dem Kapitän, bevor sie sich von ihm abwandte. Nachdem sie eine Weile ruhelos auf Deck hin und her gegangen war, lehnte sie sich gegen die reichgeschnitzte Reling mit ihren hüpfenden Delphinen und dreizackschwingenden Wassermännern. Wie gebannt beobachtete sie die schwarze Karracke.
Die Albatros kam immer näher. Ihr stumpfer Bug brach durch die Wellen. Bei dieser Geschwindigkeit, dachte Chabela, wird sie sich schon in einer halben Stunde luvwärts legen und dadurch der Seekönigin den Wind aus den Segeln nehmen und sie zum Anhalten zwingen können.
Chabela verstand viel von der Seefahrt, ganz im Gegensatz zu ihrem Vater, der das Meer nicht mochte. Schon als kleines Mädchen war sie mit der Seekönigin ausgefahren und hatte sich für alles interessiert, was mit Seefahrt zu tun hatte. Erst vor ein paar Jahren, nachdem sie eine junge Frau geworden war, hatte ihr Vater verboten, daß sie sich wie ein Seemann kleidete und die Wanten hochkletterte.
Der Prinzessin schauderte, aber sie zwang sich zur Entspannung. Bis jetzt hatte die
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