Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
Kush. Dort überfiel uns eine Bande Bakalahs. Sie machten die Kushiten nieder und schleppten uns in diesen Kral ...« Wieder übermannte sie das Schluchzen, und es dauerte eine Weile, bis sie fortfahren konnte. »Heute morgen wurde mein Bruder vor meinen Augen gemartert und zerstückelt ...« Bei dieser Erinnerung wurde ihr flüchtig schwarz vor den Augen, und sie schwankte. »Sie warfen seine Leiche den Schakalen vor. Wie lange ich bewußtlos lag, weiß ich nicht ...«
Als ihr die Stimme erneut versagte, hob sie die Augen zu dem finster die Stirn runzelnden Fremden. Eine plötzliche wilde Wut übermannte sie. Sie trommelte mit den Fäusten gegen die Brust des Weißen, der nicht mehr darauf reagierte als auf das Summen einer Fliege.
»Wie kannst du einfach dastehen!« schrie sie erstickt. »Bist du auch nur eine herzlose Bestie wie die anderen hier? O Mitra, einst glaubte ich an die Ehre bei den Männern. Jetzt weiß ich, daß jeder seinen Preis hat. Du – was weißt du schon von Ehre – oder Erbarmen – oder Anständigkeit? Nur deine Haut ist weiß, deine Seele ist so schwarz wie ihre. Es ist dir völlig egal, daß ein Mann deiner Rasse auf bestialische Weise niedergemetzelt wurde – und daß ich eine Sklavin dieser Hunde bin! Aber gut!«
Sie wich vor ihm zurück.
»Du sollst deinen Preis haben!« flüsterte sie und riß ihren dünnen Kittel an der elfenbeinfarbigen Brust auf. »Bin ich nicht schön? Bin ich nicht begehrenswerter als diese Eingeborenenweiber? Bin ich nicht ein Blutvergießen wert? Ist eine hellhäutige Jungfrau es nicht wert, daß man ihretwegen tötet?
Erschlag diesen schwarzen Hund Bajujh! Laß mich seinen verfluchten Kopf in den blutigen Staub rollen sehen! Töte ihn! Töte ihn! « In ihrer Erregung schlug sie die Fäuste gegeneinander. »Dann kannst du mich haben und mit mir tun, was du willst. Ich werde deine Sklavin sein!«
Auch jetzt sprach der Fremde nicht sofort, sondern schaute, mit der Hand um den Schwertgriff, finster auf sie hinunter.
»Du redest, als wärest du frei, dich nach Belieben zu geben«, sagte er schließlich. »Als wäre dein Körper ein Geschenk von so hohem Wert, daß es Königreiche zum Wanken zu bringen vermöchte. Weshalb sollte ich Bajujh umbringen, nur um dich zu bekommen? Frauen sind in diesem Land so billig wie Bambus, und es tut nichts zur Sache, ob sie willens sind oder nicht. Du schätzt dich zu hoch ein. Wollte ich dich, brauchte ich nicht erst Bajujh zu töten, um dich zu bekommen. Er würde dich mir schenken, ehe er es auf einen Kampf ankommen ließe.«
Livia schluckte. Ihr Feuer war erloschen. Die Hütte drehte sich um sie. Sie taumelte und ließ sich auf ein Lager fallen. Tiefste Bitterkeit erfüllte sie, nun da der Fremde ihr ihre absolute Hilflosigkeit mit so brutalen Worten zu Bewußtsein gebracht hatte. Unwillkürlich klammert der Mensch sich an vertraute Werte und Ideen, selbst in absolut fremder Umgebung, wo sie keine Gültigkeit haben. Und so glaubte Livia, trotz allem, was sie in letzter Zeit durchgemacht hatte, daß die Hingabe einer Frau der Angelpunkt in einem Spiel sein müsse, wie sie es vorschlug. Es war ein betäubender Schlag für sie, als sie nun erkannte, daß nichts, gar nichts, von ihr abhing, daß sie die Männer nicht wie Figuren auf einem Brett bewegen konnte, sondern sie selbst eine hilflose Spielfigur war.
»Ich sehe ein, wie absurd es ist, anzunehmen, daß auch nur irgendein Mann in dieser Ecke der Welt nach den Regeln und Sitten handeln würde, wie sie anderswo üblich sind«, murmelte sie schwach, ohne sich völlig bewußt zu sein, was sie sagte. Tatsächlich sprach sie nur mechanisch ihre Gedanken aus. Völlig benommen von diesem neuesten Schicksalsschlag lag sie reglos, bis die harten Finger des Weißen nach ihrer Schulter griffen und sie aufrichteten.
»Du schimpfst mich einen Barbaren«, sagte er barsch, »und Crom sei Dank, daß ich einer bin. Hätten dich Männer aus den barbarischen Ländern beschützt, statt der verweichlichten Schwächlinge der sogenannten Zivilisation, wärst du jetzt nicht die Sklavin eines Schweines. Ich bin Conan, ein Cimmerier, und lebe von der Schärfe meines Schwertes. Aber ich bin kein Hund, der eine Frau in den Klauen eines Wilden ließe. Auch wenn deinesgleichen mich einen Räuber nennen, tat ich nie einer Frau Gewalt an. Die Sitten unterscheiden sich in den einzelnen Ländern, aber wenn ein Mann stark genug ist, kann er sich sehr wohl auch anderswo an seine heimatlichen Gebräuche
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