Conan-Saga 08 - Conan der Pirat
ein Stück Sternenhimmel, aber sein Licht trug nicht dazu bei, ihr Gemach zu erhellen. Doch während sie ruhig auf dem Rücken lag, wurde sich Taramis eines leichten Glühens in der Dunkelheit vor sich bewußt. Es wurde stärker, während es an Größe zunahm, und sah schließlich wie eine durchsichtige Scheibe aus, die vor den blauen Samtbehängen der gegenüberliegenden Wand schwebte. Die Königin hielt den Atem an und richtete sich ein wenig auf. Etwas Dunkles wurde allmählich in der leuchtenden Scheibe sichtbar – der Kopf eines Menschen!
In plötzlicher Panik öffnete die Königin die Lippen, um nach ihren Leibmägden zu rufen, aber dann ließ sie es doch bleiben. Das Leuchten war nun noch stärker, und so hob sich der Kopf besser ab. Es war der einer Frau, zierlich, mit feingeschnittenen Zügen und einer Fülle hochgesteckten, glänzenden schwarzen Haares. Das Gesicht wurde, während sie darauf starrte, immer deutlicher erkennbar – sein Anblick war es, der ihr den Schrei noch in der Kehle abgewürgt hatte. Es war ihr eigenes! Als blickte sie in einen Spiegel, der ihre Miene ganz leicht veränderte und ihr einen boshaften Ausdruck verlieh.
»Ischtar!« keuchte Taramis. »Ich bin verhext!«
Zu Taramis' Entsetzen sprach die Erscheinung, und ihre Stimme klang übertrieben süß.
»Verhext? Nein, liebliche Schwester, es hat nichts mit Zauberei zu tun.«
»Schwe-ster?« stammelte die verwirrte Königin. »Ich habe keine Schwester!«
»Hattest du auch nie eine?« fragte die giftig süße Stimme. »Gab es da nicht einmal eine Zwillingsschwester, deren Haut so weich wie deine und ebenso leicht zu streicheln und zu verletzen war?«
»Ja, ich besaß eine Schwester«, erwiderte Taramis, die überzeugt war, daß ein Alptraum sie quälte. »Aber sie starb.«
Das schöne Gesicht in der leuchtenden Scheibe verzerrte sich vor Wut, und so schreckenerregend wirkte es, daß Taramis sich furchterfüllt duckte und fast erwartete, die schwarzen Locken der anderen würden sich als Schlangen zischend auf sie zuschnellen.
»Du lügst!« fauchten die roten Lippen. »Sie starb nicht! Törin! O genug dieses Theaters! Sieh her – möge der Anblick dir zu denken geben!«
Plötzlich schoß Licht wie brennende Schlangen die Wandbehänge hoch, und die Kerzen im Armleuchter flammten auf unerklärliche Weise wieder auf. Taramis kauerte sich tiefer in ihr samtüberzogenes Bett und starrte mit weitaufgerissenen Augen auf die geschmeidige Gestalt, die sich ihr nun höhnisch in voller Größe zeigte. Taramis war es, als blickte sie auf ihr eigenes Ich, das ihr äußerlich in jeder Beziehung glich, von dem jedoch eine Aura des Bösen ausging. Das Gesicht dieses Ebenbilds spiegelte genau das Gegenteil all ihrer Charakterzüge. Gier und Abartigkeit sprachen aus den schillernden Augen, Grausamkeit lauerte in den Mundwinkeln. Jede Bewegung des grazilen Körpers wirkte aufreizend. Die Frisur glich genau ihrer eigenen, und die Füße steckten in vergoldeten Sandalen, so wie sie selbst sie in ihren Gemächern trug. Das ärmellose, tief ausgeschnittene Gewand, von einem goldenen Stoffgürtel um die Taille gehalten, war eine genaue Nachbildung ihres Nachtgewands.
»Wer bist du?« hauchte Taramis, während ihr ein eisiger Schauder über den Rücken rann. »Verrate mir, was du hier suchst, ehe ich meine Leibmägde rufe, damit sie die Wachen holen!«
»Rufe, bis sich die Deckenbalken biegen«, antwortete die Fremde gleichgültig. »Deine Schlampen werden nicht vor dem Morgengrauen erwachen, selbst wenn der Palast um sie in Flammen aufginge. Auch deine Wachen können dich nicht hören, und wenn du noch so laut schreist. Sie erhielten den Auftrag, diesen Flügel des Palasts zu verlassen.«
»Was!« rief Taramis empört. »Wer wagte es, meiner Leibgarde einen solchen Befehl zu erteilen?«
»Ich, meine liebliche Schwester«, höhnte die andere, »kurz ehe ich hier hereinkam. Sie hielten mich für ihre geliebte Königin. Ha, wie großartig ich meine Rolle spielte! Mit welch majestätischer Würde, gemildert durch weibliche Sanftmut, sprach ich zu diesen Tölpeln, die in ihrer Rüstung mit den federbuschverzierten Helmen vor mir niederknieten.«
Taramis fühlte sich wie in einem Netz gefangen, das sich immer enger um sie schloß.
»Wer bist du?« rief sie verzweifelt. »Welcher Spuk narrt mich? Was willst du von mir?«
»Wer ich bin?« Das Zischen einer Kobra klang aus der süßen Stimme. Die Fremde trat ans Bett. Sie krallte die Finger in die
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