Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
hätte ihm nicht angesehen, daß er des unausbleiblichen Todes harrte. Seine Augen schwelten noch tiefer, und seine muskelschwere Hand umklammerte den Säbelgriff noch fester. Das war alles.
Die Angeln hatten nun völlig nachgegeben, und die nur noch vom Riegel gehaltene Tür bog sich immer mehr nach innen. Gebannt beobachtete es Conan, und er beneidete den Giganten um seine unmenschliche Kraft.
Ganz plötzlich endete der Ansturm. In der Stille vernahm Conan andere Geräusche auf dem Treppenabsatz – Flügelschlag, eine murmelnde Stimme wie das Säuseln des Windes durch mitternächtliches Laub. Und dann herrschte mit einemmal völlige Stille, und etwas hatte sich verändert. Nur die scharfen Sinne eines Barbaren vermochten es zu spüren. Conan wußte, ohne es zu sehen oder zu hören, daß der Herr von Dagon den Treppenabsatz verlassen hatte.
Er spähte durch einen Riß in der Tür. Nichts und niemand befand sich mehr davor. Er mußte sich anstrengen, um den völlig verbogenen Riegel zurückziehen zu können, dann fing er die hereinfallende Tür auf und lehnte sie an die Wand. Auch auf der Treppe befand sich Khosatral nicht mehr. Doch tief unten war das Krachen einer zuschlagenden Metalltür zu hören.
Conan wußte nicht, ob der Riese sich eine neue Teufelei ausdachte oder durch die säuselnde Stimme weggeholt worden war. Jedenfalls vergeudete er keine Zeit mit unnützen Überlegungen.
Er rief Octavia. Der veränderte Ton seiner Stimme ließ sie unwillkürlich auf die Füße springen und an seine Seite eilen.
»Was ist los?« fragte sie schweratmend.
»Sprich jetzt nicht!« Er faßte sie am Handgelenk. »Komm!« Die Chance, wieder handeln zu können, hatte ihn verwandelt. Seine Augen blitzten, seine Stimme vibrierte. »Der Dolch!« murmelte er, während er das Mädchen in wilder Eile die Treppe hinunterzerrte. »Die magische Yuetshiklinge! Er hat sie in der Kuppelhalle gelassen! Ich ...« Seine Stimme setzte aus, als ein Bild sich vor sein inneres Auge schob. Die Kuppelhalle schloß an den Saal mit dem Kupferthron an! Schweiß benetzte ihm den Rücken. Der einzige Weg dorthin führte durch den Raum, in dem das schreckliche Schlangenungeheuer schlummerte.
Trotzdem zögerte er nicht. Weiter eilten sie die Treppe hinunter, durch das Gemach hindurch, die nächste Treppe abwärts und den düsteren Korridor mit den Wandteppichen entlang. Von dem Koloß entdeckten sie keine Spur. Vor der gewaltigen Bronzeflügeltür faßte Conan Octavia an den Schultern und schüttelte sie.
»Hör zu!« sagte er. »Ich gehe jetzt in den Saal hinter diesem Portal und verriegle die Tür von innen. Bleib hier und paß auf. Wenn Khosatral kommt, dann ruf es mir zu. Hörst du aber mich brüllen, daß du verschwinden sollst, dann renn, als wäre der Teufel hinter dir her – was ohnedies leicht der Fall sein kann. Lauf zur Tür am anderen Ende des Korridors, denn ich werde nicht mehr in der Lage sein, dir zu helfen. Ich will jetzt den Yuetshidolch holen!«
Ehe sie protestieren konnte, war er durch die Flügeltür geschlüpft und legte vorsichtig den Riegel vor, ohne zu bemerken, daß er auch von außen geöffnet werden konnte. In dem düsteren Zwielicht suchte sein Blick den Kupferthron. Ja, die schuppenhäutige Bestie lag noch darauf und füllte ihn mit ihrem geringelten Leib aus. Er sah auch die Tür hinter dem Thron, die in die Kuppelhalle führen mußte. Doch um sie zu erreichen, blieb ihm nichts übrig als die Plattform dicht vor dem Thron zu überqueren.
Ein über den Boden wehender Wind wäre lauter gewesen als Conans huschende Füße. Ohne den Blick von dem Reptil zu wenden, erreichte er die Plattform und stieg die gläsernen Stufen empor. Die Schlange hatte sich nicht bewegt. Er griff nach der Tür ...
Der Riegel an der bronzenen Flügeltür hatte geknarrt. Conan unterdrückte einen wüsten Fluch, als er Octavia in den Saal treten sah. Sie blickte sich in der tiefen Düsternis unsicher um, während er wie erstarrt dastand und nicht wagte, ihr etwas zuzurufen. Da entdeckte sie ihn und lief auf ihn zu. »Ich will mit dir kommen!« rief sie. »Ich fürchte mich allein ... Oh! « Mit einem gellenden Schrei warf sie die Hände hoch, als sie sah, was auf dem Thron lag. Der keilförmige Schlangenschädel hob sich und schnellte vorwärts.
Und dann glitt das Reptil mit fließender Bewegung vom Thron auf das entsetzte Mädchen zu.
Mit einem Riesensatz sprang Conan zum Thron zurück und schwang gleichzeitig mit aller Kraft den Säbel.
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