Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
stahlen sie sich durch die Bäume, die Pfeile schußbereit an den Bogensehnen. Schweigen herrschte über dem Wald, bis ein großer grüner Vogel mit heftigem Flügelschlag über sie hinwegflog und in der Düsternis der Kronen verschwand. Abrupt hielt Jehungir Agha seinen kleinen Trupp an. Ungläubig starrten sie alle auf die Türme, die durch das Grün in der Ferne zu erkennen waren.
»Tarim!« fluchte Jehungir leise. »Die Piraten haben die Ruinen wieder aufgebaut. Zweifellos hält Conan sich dort auf. Wir müssen uns die Sache näher ansehen! Eine befestigte Stadt so nahe an der Küste! Kommt!«
Noch vorsichtiger schlichen sie weiter. Ihre Rolle hatte sich geändert. Aus Verfolgern und Jägern wurden nun Kundschafter und Spione.
Doch während sie sich einen Weg durchs dichte Unterholz bahnten, drohte dem Mann, den sie suchten, größere Gefahr als durch ihre Pfeile.
Mit prickelnder Haut wurde Conan klar, daß die eherne Stimme jenseits der Wand verstummt war. Reglos wie eine Statue starrte er auf die brokatbehangene Tür, durch die, dessen war er sicher, jeden Augenblick das Grauen in Person treten würde.
Es war düster in dem Gemach. Während seine Augen sich weiteten, standen ihm die Haare zu Berge. Ein Kopf und gigantische Schultern wuchsen aus dem Zwielicht. Nicht der leiseste Schritt war zu hören, aber die dunkle Gestalt nahm immer mehr Form an, bis der Cimmerier ganz deutlich einen Mann sah, der Sandalen trug, einen Kilt und einen breiten Pferdeledergürtel. Ein goldener Stirnreif hielt sein gerade geschnittenes Haar. Immer weiter wurden Conans Augen beim Anblick der unglaublich breiten Schultern, der mächtigen Brust, der Prankenhände und der ungeheuren Muskeln. Kein Erbarmen sprach aus dem makellos geschnittenen Gesicht, und es verriet auch keine Schwäche. Die Augen brannten in dunklem Feuer. Das konnte nur Khosatral Khel sein, das Urwesen aus dem Abyssus, der Gott der Dagonier.
Kein Wort fiel, keines war nötig. Khosatral breitete die gewaltigen Arme aus, und Conan, der sich darunter duckte, hieb mit dem Säbel nach dem Bauch des Giganten. Erschrocken sprang er zurück. Verwirrung zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Die scharfe Klinge war klirrend abgeprallt, ohne auch nur einen Kratzer eingeritzt zu haben. Unausweichlich stapfte Khosatral auf ihn zu.
Es kam zu einem flüchtigen Zusammenstoß, Glieder umschlangen sich, Leiber preßten sich gegeneinander, und dann gelang es Conan, zurückzuspringen. Jeder Muskel zitterte von der Heftigkeit seiner Anstrengung. Blut tropfte, wo die Nägel des Gegners seine Haut zerkratzt hatten. In dem Augenblick der Berührung hatte er den abgrundtiefen Wahnsinn des Widernatürlichen gespürt. Kein menschliches Fleisch hatte seines gestreift, sondern atmendes, denkendes Metall. Der Körper seines Gegners war aus lebendem Eisen!
In der Düsternis ragte Khosatral über ihm auf. Wenn diese mächtigen Pranken sich erst einmal um ihn schlossen, würden sie sich nicht mehr lösen, bis kein Leben mehr in ihm war. Der bevorstehende Kampf zwischen ihnen würde wie zu einem Alptraum werden, doch zu einem, aus dem es kein Erwachen gab.
Conan warf seinen nutzlosen Säbel von sich, hob eine schwere Bank und schleuderte sie seinem Feind entgegen. Es war ein Geschoß, wie wenige Menschen es nur zu heben vermochten. Doch das massive Holz zersplitterte an Khosatrals Brust, dessen Gesicht ein wenig von seiner Menschenähnlichkeit verlor, als Feuer um seinen Kopf sprühte und er wie ein wandelnder Turm näherkam.
Verzweifelt riß Conan einen der Teppiche von der Wand. Mit noch größerer Anstrengung als zuvor wirbelte er ihn über seinen Kopf und warf ihn über den Schädel des Riesen. Einen Moment zappelte Khosatral, flüchtig der Sicht und Bewegungsfreiheit beraubt, wie weder Holz noch Stahl es vermochten. Hastig griff Conan nach seinem Säbel und raste auf den Korridor. Ohne anzuhalten, warf er sich durch die gegenüberliegende Türöffnung, schlug die Tür zu und verriegelte sie.
Als er herumwirbelte und stehenblieb, schoß ihm das Blut in den Kopf. Inmitten eines Kissennests, das goldene Haar über die nackten Schultern gebreitet, die Augen angstverzerrt, kauerte die Frau, für die er soviel gewagt hatte. Fast vergaß er das Grauen, das ihm auf den Fersen war, bis ein splitterndes Krachen ihn wieder zur Besinnung brachte. Er hob das Mädchen hoch und sprang zur gegenüberliegenden Tür. Octavia war vor Furcht viel zu benommen, um sich zu wehren oder ihm zu helfen. Offenbar
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