Conan-Saga 48 - Conan der Jäger
ein bleiches, mürrisches Gesicht blickte er herab. Mit Anbruch der Nacht war es empfindlich kalt geworden. Die Nachtluft biß mit unsichtbaren Zähnen in jedes Stück bloße Haut. Aus den Nüstern der Rosse quoll der Atem wie Dampf aus einem kochenden Wasserkessel.
Conan schenkte der Kälte kaum Beachtung. Der brythunische Herbst war nichts im Vergleich zu der bitteren Kälte in seiner Heimat Cimmerien. Kailash hatte sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und den Helm drübergestülpt. Seine dicke Bauerntunika hielt die Kälte ab. Außerdem stammte er aus dem Nordosten, wo die Witterung ähnlich war wie in Cimmerien. Am meisten verspürte Madesus die Kälte, trotz der Gewänder und des Umhangs, die er trug. Er mußte zugeben, daß der Gedanke an einen warmen Raum ihm jetzt äußerst verlockend erschien. Unter diesen Umständen würde Mitra ihm gewiß verzeihen, wenn er sich in diese Lasterhöhle wagte – zumindest hoffte er darauf.
Innasfaln war ein kleines Dorf. Die Reiter kamen an einigen Katen vorbei, deren Wände aus Flechtwerk bestanden, das mit Lehm verschmiert war. Fast alle schienen bewohnt zu sein. In der Mitte des Dorfes standen einige aus Feldsteinen gemauerte Häuser, die solide aussahen. Kailash zeigte auf das größte Haus. Eine brythunische Standarte erhob sich stolz über dem Dach, was in dieser tristen Umgebung fehl am Platz wirkte. Vor dem Eingang standen mehrere Pferde an einer Holzstange angebunden.
Die Herberge hatte keine Fenster. Als Windschutz hing eine dicke, mit Teer bestrichene Plane vor der Tür. Conan hatte schon schäbigere Unterkünfte gesehen, doch mußte er zugeben, daß selbst der schmutzige und verwahrloste Schwertknauf im Vergleich zu diesem Höllenloch fürstlich aussah.
Die drei Männer stiegen ab. Conan und Kailash banden die Pferde fest, luden die Packtaschen ab und schwangen sie mühelos über die Schulter. Madesus ging langsam und rieb sich den schmerzenden Hintern. Conan und Kailash lachten herzlich über die Qualen des Priesters.
»Wenn dir heute schon alles weh tut, warte bis morgen«, meinte der Mann aus den Bergen. »Vielleicht wachst du vor uns auf, aber ich wette, daß wir vor dir wieder im Sattel sitzen.«
Immer noch lachend band der Cimmerier den Beutel mit dem Gold fester an den Gürtel. Er reichte Kailash zwei Münzen. »Das ist für ...« Er machte eine Pause und blickte zum Priester. »... unser Nachtlager.«
Der Kezanker grinste. Aber dann schüttelte er den Kopf. »Wenn der alte Malgoresh noch da ist, gehen die Getränke aufs Haus!« Er nahm den Helm ab und verstaute ihn in seinem Ledersack. Dann nahm er die Kapuze zurück. Wortlos schob er die Teerplane beiseite und ging hinein. Conan folgte ihm.
Die Zweifel des Cimmeriers über diese Absteige erwiesen sich als unbegründet. Der große Schankraum war hell erleuchtet, aber überfüllt. Jede Bank war besetzt. Viele Gäste standen oder lehnten sich gegen die Wände. Als Conan und Kailash eintraten, drehten einige den Kopf nach ihnen um und verstummten. Gleich darauf aber vertieften sie sich wieder in ihre Gespräche. Offenbar kümmerten sich die Stammgäste hier nicht um Fremde.
»Schau, dort hinten!« Kailash deutete zu einem langen Holztisch am Ende des Raums. Dahinter stand ein rundlicher Mann mit grauem Bart und schöpfte Ale aus einem riesigen Eichenfaß. Weitere Fässer waren an der Rückwand aufgestapelt. »Da ist Malgoresh, wie ich gehofft hatte.« Kailash schob sich durch die Menge. Conan blieb ihm auf den Fersen. Einige nüchterne Gäste machten den beiden Kriegern eilends Platz.
Doch in einem Punkt hatte Kailash zu viel versprochen: Der Cimmerier sah nur wenige weibliche Wesen, und die meisten von ihnen hatten ihre besten Jahre längst hinter sich. Doch es gab auch einige, auf denen die Augen des jungen Hünen aus Cimmerien wohlgefällig ruhten. Er war überrascht, diese Schönen in dieser schäbigen Schenke in einem so abgelegenen Dorf zu sehen.
»Warte mal!« sagte Conan zu Kailash und blickte besorgt zurück. »Madesus ist uns nicht gefolgt. Wir sollten warten, bis er ...«
»Pah! Ein Priester in einem Schankraum ist wie Wasser aufs Feuer. Vielleicht hat er aufgegeben und sich bereits eine Schlafkammer gemietet. Übrigens habe ich ihn vorhin auf den Arm genommen. Die Weiber hier haben viel von ihrem früheren Glanz eingebüßt. Nach ein paar Humpen und etwas zu essen, bin ich bereit, mich aufs Ohr zu hauen.« Dann grinste er plötzlich spitzbübisch. »Wenn der Priester doch noch
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