Conan-Saga 51 - Conan und die Amazone
schätzte, daß sie tatsächlich so groß wie ein kleines Haus waren. Noch nie im Leben hatte er derartige Fensterscheiben gesehen.
Als sie den Raum zur Hälfte durchquert hatten, entdeckten sie am anderen Ende eine riesige Götterstatue. Das einfallende Sonnenlicht ließ einen Teil des Raums im Schatten. Daher hatten sie beim Eintreten nicht gleich erkannt, was dort hinten aufragte. Conans Schätzung nach warf erst die Abendsonne Licht auf diesen Koloß.
»Ist das ein Gott?« fragte Kye-Dee.
»Wenn überhaupt, dann eine Göttin«, antwortete Achilea barsch.
Die Figur erinnerte an eine Pyramide: eine nackte menschenähnliche Gestalt mit untergeschlagenen Beinen, die zahlreichen Arme ausgestreckt. Einige Hände hielten Waffen, andere wiederum Geräte, deren Bestimmung dem Cimmerier unklar war. Zwei Arme wuchsen waagrecht aus den Schultern heraus. Die Handflächen waren nach oben gekehrt. In dreifacher Reihe hingen zwischen Schultern und Nabel zwölf Brüste. Das Gesicht war heiter und schön, doch aus den mandelförmigen Augen funkelte dem Betrachter schiere, unmenschliche Bosheit entgegen. Auf Stirn, Augen und Nabel blitzten riesige Edelsteine. Staunend und zitternd näherten sich die Eindringlinge dem Götzenbild.
»Warum hat jemand ein solches Ungeheuer errichtet?« fragte Achilea. »Von einem Knie zum anderen mißt es gewiß hundert Schritte.«
»Ich weiß es nicht, aber hütet euch davor«, warnte Conan. Er holte tief Luft und rief: »Monandas! Yolanthe! Amram! Kommt heraus und stellt euch! Wir müssen mit euch sprechen.«
Seine Rufe brachen sich an den Tempelwänden und hallten lange nach. Kaum waren sie verstummt, da trat unheimliche Stille ein.
»Und was jetzt?« fragte der Zwerg. Vorsichtig klopfte er mit den Handknöcheln gegen das riesige Schienbein der Göttin. Offenbar bestand die Statue hauptsächlich aus Bronze. Allerdings sah man keine Nähte oder Nieten. Die Konstruktion war ebenso ein Wunder wie alles andere, das sie in Janagar gesehen hatten.
»Nun«, meinte Achilea ungeduldig. »Wohin ...« Sie brach jäh ab, als aus dem Innern des Götzenbilds ein tiefes, langes Stöhnen ertönte.
»Was ist das?« fragte Jeyba aufgeregt. Wieder Stöhnen und Ächzen, als würde im Innern der Statue eine Tür aufgeschoben. Sie wichen zurück und schauten nach oben, als erwarteten sie, daß die schweren Arme lebendig und nach ihnen greifen würden. Lautes Zischen ertönte über ihren Köpfen. In Panik blickten sie umher.
Ein greller Flammenstoß schoß aus den nach oben gewandten Handflächen. Die gekrümmten Finger schienen Feuerbälle zu halten. Die flackernden Flammen warfen unheimliche Schatten auf das Antlitz der Göttin, wodurch ihr Gesichtsausdruck noch bedrohlicher wurde. Entsetzt sahen der Cimmerier und seine Gefährten, wie sich die schmalen Augen weiteten. In jedem leuchtete eine scharlachrote Iris mit vielen schwarzen Pupillen. Die Hyrkanier stammelten Schutzzauber, um das Böse abzuwehren. Es sah so aus, als wollten sie die Flucht ergreifen.
»Halt!« rief Conan. »Das ist keine Göttin! Es ist eine riesige Maschine.«
»Na und?« rief Kye-Dee. »Ich will nichts damit zu tun haben.«
»Ich laufe nicht vor einer Marionette davon, auch wenn sie die größte der Welt ist!« erklärte Achilea. Ihr Gefolge stellte sich hinter sie. Jeyba hielt seine Keule fest mit beiden Händen.
Der Cimmerier stand aufrecht da. Er war bereit, zu kämpfen oder zu fliehen, je nachdem wie es die Umstände erforderten. Hatten die Zwillinge dieses Wunderwerk geschaffen? Waren sie vielleicht im Innern und bewegten die unglaublich alte Mechanik, die immer noch – entgegen aller Vernunft – ihren Dienst verrichtete?
Schritte und Klirren von Rüstungen waren zu hören, und eine Doppelreihe bizarrer Gestalten lief hinter dem Götzenbild hervor. Innerhalb von fünf Sekunden hatten sie einen Kreis um die Eindringlinge gebildet. Conan schätzte ihre Zahl auf mindestens hundert – und es tauchten noch weitere auf. Sie trugen Stücke fremdartiger Rüstungen, waren ansonsten nackt. Es waren Männer und Frauen. Alle waren bewaffnet und trugen Masken. Viele hielten Netze und Stricke.
Der Hyrkanier, der um ein Haar das Kamel getötet hätte, zielte und schoß. Der Pfeil durchbohrte mühelos die schwarzlederne Brustplatte einer Frau. Inmitten einer Blutfontäne sank sie zu Boden.
»Nein!« schrie der Cimmerier. »Es sind zu viele!«
Doch die Hyrkanier waren nicht mehr aufzuhalten. Beim Anblick von Blut griffen sogleich zwei
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