Conan-Saga 51 - Conan und die Amazone
gelangten sie auf eine breite Plattform, die den Turm umlief. Sie besaß eine halbhohe Brüstung aus Marmor, die einer feinen Spitze aus verschlungenen Ranken glich. Vorsichtig traten Conan und seine Schar hinaus. Sie bezweifelten, daß die Plattform nach so vielen Jahren noch sicher war.
»Als erstes müssen wir feststellen, ob da unten irgendwo unsere Verfolger lauern«, sagte der Cimmerier. Er spähte über die Stadtmauer hinweg. »Crom!« Auch allen übrigen stockte der Atem. Schnell griffen sie zu ihren Schutzamuletten und murmelten Abwehrzauber.
Man sah meilenweit. Doch erstreckte sich hinter der Stadtmauer keine Wüste, sondern gepflügtes Ackerland, das durch niedrige Steinmauern und gepflegte Hecken feinsäuberlich in Rechtecke geteilt wurde. Schnurgerade Kanäle durchzogen das Land. In vereinzelten Abständen standen kranartige Maschinen, die das Wasser aus den Kanälen auf die Felder schöpften. In der Ferne sahen sie Gebäude, die offenbar prachtvolle Landsitze waren.
»Was ist das?« rief Achilea.
Conan legte die starken Hände auf die Brüstung und blickte auf die Stadt hinab. Die anderen folgten seinem Beispiel. Buntgekleidete Menschen bevölkerten die Straßen und Plätze. Eine Abteilung Soldaten ritt hindurch. Ihre vergoldeten Rüstungen und das bronzene Zaumzeug funkelten in der Sonne.
Langsam näherten sich die Soldaten dem Turm. Plötzlich hingen von den Terrassen der größten Gebäude Blumenranken in Hülle und Fülle. Auf den breiten Terrassen standen Zedern und Zypressen. Duftende Myrrhebüsche und Palmen mit Datteln wuchsen überall. Von den Opfern auf den Altären der Tempel stiegen große Rauchsäulen zum Himmel empor.
»Was geschieht hier?« fragte Achilea.
»Diese Stadt ist verflucht!« schrie Payna. »Laß uns so schnell wie möglich wegreiten, meine Königin!«
Conan gefiel diese unerwartete Wendung auch nicht, aber er hatte keine Angst. »Das ist irgendeine optische Täuschung. Wir sehen Janagar, wie es vor langer Zeit einmal war. Hört zu! Hört ihr einen Laut? Ich nicht. Alles ist so still wie zuvor, als wir durch die Straßen gingen.«
»Wir sind sehr weit oben«, meinte Kye-Dee. Er war noch nie auf einem so hohen Turm gewesen.
»Trotzdem würden wir etwas hören«, widersprach der Cimmerier. »Ich stand schon auf Türmen, die viel höher als dieser waren. Trotzdem hörte man den Hufschlag der Pferde auf den Straßen. Riecht einer von euch Rauch? Ich nicht, aber überall sind Feuer zu sehen.«
»Angenommen, du hast recht«, sagte Achilea. »Wohin sollen wir jetzt gehen?«
»Dorthin.« Conan zeigte auf ein großes Bauwerk auf einem Hügel in der Stadtmitte. Es wirkte gedrungen, doch das lag an seiner massigen Architektur. Die Kuppel war höher als die anderen und schien aus unzähligen Glasscheiben zu bestehen. »Wenn die Zwillinge in der Stadt sind, dann sind sie bestimmt dort.«
»Seht!« rief ein Hyrkanier und deutete nach unten. Um das Fundament ihres Turms kam ein riesiger Elefant. Seine Flanken waren bunt bemalt, die langen geschwungenen Stoßzähne vergoldet. Auf dem Rücken saß die Statue eines Gottes oder Dämons, mit vielen Augen und scheußlicher Fratze. Es folgten weitere buntbemalte Elefanten mit ebenfalls abstoßenden Statuen. Musiker mit Flöten und Trommeln, mit Trompeten und Tamburinen begleiteten die Tiere. Tänzer und Tänzerinnen in Pelzen und Federn wirbelten in Ekstase umher. Götzendiener verletzten sich mit Messern und warfen abgeschnittene Gliedmaßen zu den Idolen hinauf. Doch bei alldem herrschte absolute Stille.
»Ich habe keine Ahnung, wer diese Menschen sind oder was sie tun«, sagte Conan. »Aber sie sind seit Tausenden von Jahren Staub in der Wüste. Nur mit Hilfe irgendeiner Magie sehen wir sie so, wie sie einst waren.«
»Laßt uns gehen«, sagte Achilea. Auch sie war so beunruhigt wie der Cimmerier. »Diese Visionen längst vergangener Zeiten machen mich schwermütig. Ich weiß nicht einmal, ob ich noch die Schätze haben will. Ich möchte nur ein paar Antworten.«
Niemand sprach ein Wort, während sie den Turm hinabstiegen und das Gebäude verließen. Draußen auf der Straße war alles so, wie es gewesen war. Die Soldaten, die Götzendiener, die Pferde und Elefanten – alles war verschwunden, so als hätte es nie existiert.
»Hier entlang«, sagte Conan, mehr um das peinliche Schweigen zu brechen, als um den Gefährten die Richtung anzugeben. Als sie durch die stille Stadt gingen, formte sich in seinem Kopf die Antwort auf eine
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