Conan-Saga 54 - Conan der Gnadenlose
Geschrei der Tiere, vom Vieh in den Ställen bis hin zu den Katzen. Im gesamten Tal hallte es noch nach Tagesanbruch weiter.
Doch das Geräusch, auf das Aybas – und vermutlich auch andere – wartete, erklang nicht. Offenbar hatte der Pfeifer sein Nachtwerk vollbracht und hatte sich verabschiedet.
Aybas war nicht überrascht. Marr der Pfeifer war seit einer Generation eine Legende im Grenzreich, schon ehe Aybas sein Heimatland verlassen hatte. Erst im vergangenen Jahr schien Marr bereit zu sein, den Wettkampf mit den Sternen-Brüdern der Pougoi aufzunehmen. Die Magie des Pfeifers musste begrenzt sein, doch verspürte Aybas keine Lust, der Glückspilz zu sein, der die Belohnung für die Aufdeckung einstrich ...
Als die Sonne heraufzog, verzogen sich die Pougoi in ihre Hütten auf die Strohsäcke oder begannen mit dem Tagwerk. Der erste der Sternen-Brüder, den Aybas Gabelbart nannte, kletterte die Straße herauf, um mit dem Aquilonier zu sprechen.
»Dies ist das dritte Mal, dass Marr unsere Riten besudelt hat«, sagte der Magier.
»Die ersten Male müssen schon stattgefunden haben, ehe ich zu Euch kam«, meinte Aybas.
»Zweifelst du etwa an meinem Wort?«, fragte Gabelbart scharf.
»Ihr habt Worte in meinen Mund gelegt«, erklärte Aybas und bemühte sich, Unterwürfigkeit mit Entschiedenheit zu mischen. »Ich möchte Euch nur daran erinnern, dass ich bei den Pougoi lediglich ein Neuankömmling bin. Für alles, was vor über drei Monden geschah, muss ich Euch und Euren Brüdern vertrauen.«
»Spricht unser Volk immer noch nicht mit dir?«
Aybas schüttelte den Kopf. »Bei vielen Dingen, wie Jagen und Ale, sind sie die verkörperte Gastfreundschaft. Doch hinsichtlich Eurer Arbeit« – Aybas nickte in Richtung des Damms und der Schlucht – »sind sie weniger aufgeschlossen.«
Aybas wartete und betete, dass die nächste Frage lauten möge: ›Haben diese Stummen einen Anführer?‹ Doch stattdessen drehte der Sternen-Bruder die Messingdrähte, welche seinen ergrauenden Bart in drei Strähnen teilte.
Der Mann schien sich tatsächlich Sorgen zu machen und körperlich erschöpft zu sein. Vielleicht war Marr der Pfeifer bedeutender, als Aybas geglaubt hatte. Auf alle Fälle war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, Gabelbart um Hilfe bei seiner Werbung um Wylla zu bitten.
Aybas betete, dass dieser Zeitpunkt kommen möge, ehe er vergaß, was er mit einer Frau anfangen sollte, nachdem er sie in seinem Bett hatte.
Als Gabelbart wieder sprach, sagte er nicht, was Aybas erwartet hatte. »Wir müssen die Berge und Wälder rings um das Tal nach dem Pfeifer und seinem Bau durchsuchen«, sagte der Sternen-Bruder.
»Dafür sind viele Männer nötig.«
»Ich sehe, dass du Augen im Kopf hast und unser Land sehen kannst. Wenn dein Herr mehr Soldaten, vor allem Bogenschützen, schicken könnte, wäre uns das eine große Hilfe.«
Aybas schwankte zwischen Überraschung und Furcht. Überraschung, dass eines der Bergvölker einen Fremdling freudig in seine Heimat einlud. Furcht davor, was Gabelbart sagen oder tun würde, wenn Aybas gestand, dass die Männer nicht zu haben waren.
Seinem Herrn mangelte es nicht an Kämpfern, aber er brauchte jeden einzelnen Mann für die geplante Arbeit. Er konnte keinen entbehren, um den magischen Pfeifer bis weit in die Wildnis hinein bergauf und bergab zu suchen.
Gabelbart runzelte die Stirn. Doch da kam Aybas die Erleuchtung. »Mein Herr würde mit Freuden jeden Mann schicken, den er entbehren kann. Aber wozu ist selbst der beste Krieger nütze, wenn er Euer Land nicht kennt? Ich weile nun bereits drei Monde unter Euch, aber Eure Kinder kennen das Land weit besser als ich.«
»In deinen Worten liegt Wahrheit«, meinte Gabelbart zustimmend. »Doch unsere jungen Männer, die das Land kennen, sind mit anderen Arbeiten beschäftigt. Wenn sie diese verlassen ...« Er schien eine Entscheidung zu fällen, »... kann dein Meister dann Gold schicken, damit wir unsere Bedürfnisse damit stillen? Dann wären unsere jungen Männer für die Jagd auf den Pfeifer frei.«
Sie wären auch dann frei, sich mit den Männern des Herrn zu verbünden, wenn dessen Plan verwirklicht würde. Diese schlichte Wahrheit könnte die Schatztruhen öffnen, falls diese nicht bereits leer waren.
Waren die Schatztruhen leer, würde Aybas' Aufenthalt im Grenzreich sich dem Ende nähern. Er hatte Lords gedient, die schöne Worte und lockende Versprechungen anstelle von Gold und Silber machten. Das war ein schlechter
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