Conan-Saga 54 - Conan der Gnadenlose
doch es missfiel ihm sehr, den Kampf planen zu müssen wie ein Blinder, der in ein Rattennest greift.
Er wusste aber auch, dass das, was die Augen ihm vorenthielten, die Ohren in Erfahrung bringen konnten. Vorsichtig stand er auf, griff zum Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne. Er zog sie bis zum Ohr zurück und schickte das Geschoss zu den Unterkünften der Garde.
Fünf Pfeile verursachten genügend Lärm, um Conan zu verraten, dass noch immer Männer des Grafen die Unterkünfte beobachteten. Also gab es immer noch Königstreue dort, oder sie hatten sich so leise davongemacht, dass die Männer des Grafen sie nicht gehört hatten.
Der Graf schickte Männer auf Positionen rechts des Cimmeriers. Hatte er Verstärkung erhalten oder zog er sie von den Unterkünften ab – oder beides? In jedem Fall würden die Männer des Grafen an keinen Angriff denken, sondern versuchen, ihre Kameraden zu erreichen.
Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, den Feind zu überraschen. Überraschung konnte den halben Sieg bedeuten.
Conan winkte Rainha und den Unterscharführer zu sich herüber, wo auch sie das leiseste Flüstern hören konnten. Stumm hörten sie ihm zu, allerdings las er auf dem Gesicht des jungen Mannes trotz der Dunkelheit Zweifel.
»Was ist, wenn Syzambry von hinten angreift, zwischen uns und Decius?«, fragte er.
Conan stellte fest, dass er den Mann anfangs schlechter beurteilt hatte, als gerecht war. »Du solltest zu Decius zurückkehren und ihn warnen.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Einer eurer Männer kann ihn warnen. Ich will mich nicht vor diesem Kampf drücken. Außerdem weiß ich, wo wir Decius und die Königlichen treffen sollen, falls wir alle den Palast verlassen können.«
Jetzt war Conan sicher, dass er grundlos am Mut dieses Mannes gezweifelt hatte. »Nun gut. Aber wenn du deinen Stahl gegen den des Grafen erproben möchtest, benenne Rainha und mir den Treffpunkt. Danach magst du zu den Göttern gehen und alles hinter dir ordentlich zurücklassen.«
Der Mann grinste, als Conan Bogen und Köcher hinabwarf und dann selbst geschmeidig wie ein Panther hinterhersprang.
Graf Syzambry verfluchte den unbekannten Bogenschützen, allerdings lautloser, als seine Männer die Pfeilwunden hingenommen hatten. Zwei seiner Männer waren schreiend gestorben, die Unverletzten zeigten sich höchst verunsichert.
Sinnlos, ihnen zu erklären, dass die Toten Pech gehabt hatten und Opfer eines Mannes geworden waren, der ebenso wenig wie sie die Hand vor Augen sehen konnte. Zu viel Zauberei – von Freund und Feind – hatte seine Männer aus dem Gleichgewicht gebracht. Nur ein harter Nahkampf mit ehrlichem Stahl gegen Feinde aus Fleisch und Blut würde ihnen den Mannesmut zurückgeben ...
Das Flüstern pflanzte sich durch die Reihen der Männer bis zu den Ohren des Grafen fort, der hinter dem Erdwall hockte.
»Die Männer des Königs sind in Bewegung. Sie wissen, dass wir kommen. Sie stellen eine Falle auf. Wenn wir vorrücken, ist das unser sicherer Tod.«
Graf Syzambry beantwortete diese Befürchtungen mit einer – ebenfalls geflüsterten – schrecklichen Androhung von grauenvollen Strafen für Feiglinge.
Seine Leute verstummten. Der Graf blickte nach vorn. Vor ihnen lag der Palast: ein Labyrinth aus Schatten, welche alles verhüllten, insbesondere einen zu allem entschlossenen Gegner. Seine Männer brauchten Fackeln, um Licht in einem Kampf zu haben.
Doch, was war das? Bewegten sich etwa einige dieser Schatten?
»Stahlhand! Kriegsschrei!« Der Graf hatte Mühe, nicht wie ein Weib zu kreischen. Er musste tief Luft holen, ehe er wieder rufen konnte: »Auf, auf! Zu den Waffen! Sie wagen einen Ausfall!«
Der Alarm des Feindes vermochte den Cimmerier nicht aufzuhalten, auch Syzambrys Stimme nicht. Da diese Stimme so deutlich zu hören war, musste der Graf beinahe in Reichweite sein.
Dann brach erneut Chaos aus.
Die Hälfte der Männer des Cimmeriers war nicht so kampferprobt wie er. Etliche standen mit offenen Mündern da, andere schrien, einige wenige liefen fort. All das führte dazu, dass der Vormarsch lautstark anhielt.
Gleichzeitig trafen die ersten Brandpfeile die Unterkünfte der Garde. Die obersten Strohschichten waren so trocken wie Zunder und brannten sogleich lichterloh. Im Nu standen die Dächer der meisten Hütten, die das Erdbeben überstanden hatten, in Flammen.
Einer der Hauptmänner in der Schar des Grafen wollte unbedingt mehr Licht. Er bekam es, doch gab er damit seine
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