Conan und der Spinnengott
erklimmen und Schädel spalten, doch mit Liedern bin ich nicht bewandert.«
Aber die anderen ließen nicht locker, bis er schließlich nach dem Instrument griff und ein paar Töne versuchte. »Wahrhaftig«, murmelte er erstaunt. »Dieses Ding ist nicht viel anders als die Harfen meiner Heimat.« Mit tiefem Baß fing er zu singen an:
»Wir sind die Männer vom Nordland,
geboren mit Schwert und Axt in der Hand ...«
Als er geendet hatte, fragte Harpagus: »In welcher Sprache habt Ihr gesungen? Ich kenne sie nicht.«
»Die der Æsir«, antwortete Conan.
»Wer sind diese Æsir?«
»Ein Volk von Barbaren, weit im Norden von hier.«
»So seid Ihr ein Æsir?«
»Nein, aber ich lebte eine Weile unter ihnen.« Conan gab das Zupfinstrument zurück und gähnte ausgiebig, um weitere Fragen zu unterbinden. »Wird Zeit, daß ich mich in die Decke rolle.«
Als hätte Conans Beispiel sie angesteckt, fingen nun auch die Zamorier zu gähnen an und machten sich daran, sich niederzulegen – alle außer einem, der zum Wachdienst eingeteilt worden war. Conan wickelte sich in seine Decke, legte den Kopf auf seinen Sattel und schloß die Augen.
Als der abnehmende Mond hoch über dem östlichen Horizont stand und die vier Zamorier lautstark schnarchten, hob Conan vorsichtig den Kopf. Der Wachtposten stapfte mit dem Speer auf der Schulter langsam rund um das Lager. Conan fiel auf, daß er bei jeder Runde an der Nordseite längere Zeit außer Sicht verschwand.
Kaum näherte er sich bei seiner nächsten Runde diesem Punkt, erhob Conan sich und schlich geduckt und lautlos wie ein Schatten zum Zelt. Das Feuer war zu einer schwelenden Glut herabgebrannt.
»Quält Euch die Schlaflosigkeit?« erkundigte sich eine zamorianische Stimme süßlich. Conan wirbelte herum und sah Harpagus im Mondschein. Selbst des Cimmeriers barbarische Sinne hatten ihn nicht vor der Annäherung des Zamoriers gewarnt.
»Ja – ich – es ist nur ein natürlicher Drang«, stammelte Conan.
Harpagus klickte mitfühlend mit der Zunge. »Schlaflosigkeit kann sehr unangenehm sein. Ich werde etwas für Euch tun, daß Ihr den Rest der Nacht tief und fest schlafen könnt.«
»Keine Tränke oder Pillen!« wehrte Conan scharf ab. Er sah sich schon vergiftet oder dem anderen zumindest hilflos ausgeliefert.
»Keine Angst, mein Herr, an dergleichen dachte ich nicht«, versicherte Harpagus ihm sanft. »Ihr braucht mir nur in die Augen zu schauen.«
Conans Blick traf den des Zamoriers, und etwas in ihm zwang ihn, seine Augen nicht abzuwenden. Harpagus' Augen schienen größer und größer zu werden und zu leuchten. Conan war, als hing er im schwarzen, sternenlosen Raum, in dem nichts zu sehen war, als diese riesigen, glühenden Augen.
Langsam fuhr der Zamorier mit dem geschliffenen Edelstein in seinem Ring durch die Luft vor Conans Gesicht. Mit beschwörender Stimme murmelte er: »Du wirst jetzt wieder schlafen, tief und fest und lange schlafen. Wenn du aufwachst, wirst du die zamorianischen Kaufleute, deren Lager du teiltest, vergessen haben. Du wirst jetzt wieder schlafen ...«
Conan erwachte abrupt und stellte fest, daß die Sonne hoch am Himmel stand. Er sprang auf die Füße, blickte wild um sich und fluchte heftig. Nicht nur die Zamorier und ihre Tiere waren verschwunden, sondern auch sein Pferd. Sein Sattel und die Sattelbeutel lagen noch auf dem Boden, wo er sein Nachtlager errichtet hatte, doch auch das kleine Ledersäckel mit den Münzen war nicht mehr in seinem Beutel am Gürtel.
Das Schlimmste war jedoch, daß er sich einfach nicht erinnern konnte, mit wem er am Abend zusammengewesen war. Er entsann sich des Rittes von Aghrapur und des Kampfes mit der Sumpfkatze, doch das war alles. Die Spuren des Lagerfeuers und die von Reit- und Packtieren verrieten ihm, daß er nicht allein gewesen war. Doch wie die anderen ausgesehen hatten, wußte er merkwürdigerweise nicht mehr. Vage erinnerte er sich, daß er ein Lied gesungen und sich selbst auf einem geborgten Zupfinstrument begleitet hatte, doch die Leute, die ihm dabei zugehört hatten, waren nicht einmal Schatten in seiner Erinnerung. Allerdings bestand kein Zweifel, daß es andere gegeben hatte.
Er erinnerte sich, daß er auf dem Weg nach Sultanapur war. Nachdem er seiner Wut in der gleichmütigen Wildnis Luft gemacht hatte, schulterte er, was ihm von seiner Habe geblieben war, und machte sich grimmig gen Norden auf. Mit den Sattelbeuteln über eine Schulter geschlungen und den Sattel auf der
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