Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
Vom Netzwerk:
niederschreiben würde, konnte ich auf dem Wasser in einiger Entfernung nur eine Reihe von ungefügen Nebelballungen erkennen, die dort wie eine Versammlung von Fabelwesen standen, rosa beleuchtet von der aufgehenden Sonne. Als der Himmel blau und klar geworden war, standen sie noch genauso da.
      Man schämte sich anscheinend ihrer, meinte vielleicht, ihr Anblick könnte unseren Expeditionsgeist negativ beeinflussen. Ich fand es rührend und traurig, wie sie dastanden, die einst in allen Medien so hochgelobten Wunderwerke, aber ich war auch ärgerlich, weil ich nun ganz allein auf dem Betonboden des menschenleeren Kais herumzuwarten hatte.
      Ein Weilchen setzte ich mich auf meinen Luftcontainer. Bald kam ich mir darauf wie ein Vertriebener vor, der auf der letzten Habe hockt. Ich fühlte mich, obwohl ich doch freiwillig an der Fahrt teilnahm, als hätte man mich aus meinem Haus geworfen. Ich dachte, ich werde es wohl nicht mehr wiedersehen, und dachte an den letzten Blick, den ich zum Meeresgarten und auf die zugezogenen weißen Rollos an meiner Fensterwand geworfen hatte. So wird es da aussehen, wenn ich gestorben bin.
      Dann raffte ich mich auf und lief mit kleinen Schritten hin und her, rieb mir die kalten Hände, legte sie auf den Rücken, rieb sie wieder. Dann wollte ich in dem Container nachsehen, ob ich etwas vergessen hätte, suchte den Schlüssel in meiner Jackentasche. Er fiel mir aus der Hand, ich bückte mich steifrückig, schloß aber nicht auf aus Angst, „Totalmobil 01“ könnte urplötzlich auf dem Kai erscheinen, lief wieder hin und her, entdeckte als einzige Sehenswürdigkeit einen vom Rost schon fast zerfressenen Ring, an dem wahrscheinlich zu meines Urgroßvaters Zeiten die Schiffe festgebunden wurden, guckte ins beinah klare Wasser, wo sich als eine weitere Sehenswürdigkeit ein kleiner Schwarm von sprottenartigen Fischen darbot.
      Dann meinte ich, vielleicht den falschen Kai erwischt zu haben. Hatte Mittelzwerck mich verkehrt bestellt, damit bedauerlicherweise die Abfahrt ohne mich stattfinden müßte? Ein Übermittlungsfehler, bei unserem heutigen hohen Stand der Technik menschlich verzeihbar, verehrter Herr Professor. Und vielleicht wäre die Reise doch zu anstrengend für Sie gewesen.
      Da würde der sich täuschen, ich käme mit dem Flügler nach.
      Hatte ich überhaupt den alten Taschenrechner mit? Ich fingerte schon wieder nach dem Schlüssel, als plötzlich wie verrückt ein muschelgrüner Fahrbehälter angefegt kam und einen Haufen Krempel aus seinem Hinterteil entleerte, dann eine Frau herausließ, die ich auf Anhieb nicht erkannte und die zu einem jungen Glatzkopf sagte, hier ist es richtig, hier ist schon der Professor, du kannst verschwinden, Küßchen und vielen Dank. Kannst mich dann wieder abholen.
      Und wann, wenn’s recht ist?
      Ja, wann, Professor?
      Das konnte ich beim besten Willen nicht angeben.
      Na, wirst schon sehen, sagte sie zu dem Glatzkopf, der trübsinnig den Fahrbehälter wendete.
      Ein feiner Schlitten, nicht, Professor? fragte sie. Muschelgrün ist jetzt meine Lieblingsfarbe.
      Frau Kutzenbacher? fragte ich verstört.
      Sie nahm den großen Ölhut ab, und ich erkannte ihr langes schwarzes, zotteliges Haar und ihre grünen Augen, die eindringlich auf mich gerichtet waren.
      Hatte sie an dem Abend in Quallnik nicht braune oder blaue Augen?
      Ich habe mich seemännisch stilisiert, Professor, wie finden Sie es, alles aus dem Antiquitätenladen, der olle Seemannspullover hier ist schon gestopft, das hat ihn stark verteuert, und diese Stiefel hier, schon rissig, sind echte Fischerstiefel.
      Gewiß, sagte ich, sehr originell. Und was enthalten diese Kisten und die Säcke? Entschuldigen Sie, ich meine nur, Sie führen ein umfangreiches Gepäck mit sich. Es sind doch da Beschränkungen. Mehr als zwei Luftcontainer soll keiner mitnehmen.
      Ich weiß, sagte Frau Kutzenbacher, aber das macht nichts. Ich nehme immer mehr mit. Die eine Kiste ist eine antike Kapitänskiste, original verpicht, und diese Säcke sind echte Seesäcke aus dem vorigen Jahrtausend, Mitte letztes Jahrhundert. Ich hab da schöne Sachen drin, ein altes Trawlnetz von einem kaputten Spieldampfer, ‘ne alte Schiffslaterne und dann natürlich Farben, Pinsel, Leinwände. Ich hab doch die antike Malkunst wieder ausgegraben. Ende voriges Jahrtausend. Und dann hab ich so eine alte Musikmaschine und einen Stapel solcher schwarzen Scheiben, aus denen sie Musik

Weitere Kostenlose Bücher