Cool Hunter
Speichervorgang, indem es mit der Stimme des Vaters einer bekannten und ziemlich gestörten gelben Zeichentrickfamilie »Mhmmmmmm, Schokolade« sagte. Nachdem dieses Soundfile allerdings nicht mit dem Nicken bedacht wurde, machte ich mir sofort eine mentale Notiz, es zu ändern. Homer war anscheinend out.
Ich betrachtete das Foto auf dem Display und prüfte, ob es scharf genug war, um die Schnürung bei Bedarf nachbinden zu können.
»Danke.«
»Keine Ursache.« Ein Hauch von Argwohn mischte sich in ihre Stimme. Was wollte ich mit einem Foto von ihren Schnürsenkeln?
Einen Moment lang herrschte zwischen uns das unbehagliche Schweigen, das häufig folgt, wenn ich gerade irgendeinen Unbekannten auf der Straße gefragt habe, ob ich seine Schuhe fotografieren kann. Man sollte meinen, ich wäre mittlerweile daran gewöhnt.
Ich ließ meinen Blick über den Fluss schweifen. Die Schnürsenkel-Innovatorin war mir im East River Park über den Weg gelaufen – einem schmalen Streifen Rasen plus asphaltiertem Gehweg zwischen dem FDR-Drive und dem Wasser. Einer der wenigen Orte der Stadt, an dem man erkennen kann, dass Manhattan eine Insel ist.
Sie trug einen Basketball unterm Arm, wahrscheinlich hatte sie auf einem der unkrautüberwucherten Plätze unter der Manhattan Bridge Körbe geworfen. Ich war – wie gesagt – zum Arbeiten hier. Auf dem Wasser schipperte so langsam wie der Minutenzeiger einer Uhr ein riesiges Containerschiff an uns vorbei. Am gegenüberliegenden Flussufer lag Brooklyn und sah extrem postindustriell aus. Die Domino-Zuckerfabrik wartete geduldig darauf, in eine Kunstgalerie umgewandelt zu werden oder in Luxusapartments für Millionäre.
Ich wollte lächeln und dann weitergehen, als sie sagte:
»Und was kann es noch?«
»Mein Handy?« Ich setzte automatisch dazu an, eine Liste der vielen Zusatzfeatures abzuspulen, zögerte dann aber. Das war der Teil meines Jobs, der mir keinen Spaß machte (weshalb ihr in diesem Text auch keine Markennamen finden werdet, falls es sich nur irgendwie vermeiden lässt). Also zuckte
ich mit den Schultern und gab mir Mühe, mich nicht nach Handyverkäufer anzuhören. »Na ja, 20 Gigabyte Speicher, WLAN, Browser, Kamera mit 14-fach Zoom.«
Sie biss sich auf die Unterlippe und bedachte das Handy wieder mit dem Nicken.
»Nur ein Digitalzoom, kein echter«, gab ich zu. Lügen gehörte nicht zu meinem Job.
»Und telefonieren kann man damit auch?«
»Klar, es …« Ich kapierte, dass sie mich verarschte. »Ja, man kann damit sogar telefonieren.«
Ihr Lächeln war sogar noch besser als ihre Schnürsenkel.
Als Alexander Graham Bell das Telefon erfand, stellte er sich vor, dass alle Menschen im ganzen Land durch einen riesigen Gemeinschaftsanschluss miteinander verbunden wären. Dass wir alle übers Telefon Konzerte hören oder vielleicht auch alle gleichzeitig den Hörer abheben und zusammen die Nationalhymne singen würden. Es kristallisierte sich allerdings ziemlich bald heraus, dass die Leute lieber Zweiergespräche führten.
Die ersten Vorläufer unserer Computer wurden entwickelt, um Marine-Manöver durchzuführen und Geheimcodes zu entschlüsseln. Auch das Internet wurde ursprünglich vom Verteidigungsministerium eingerichtet, um im Falle eines Atomkriegs eine störungsfreie Kommunikation zu ermöglichen. Aber was ist? Die meisten Leute nutzen das Netz, um zu mailen und zu chatten. Zweiergespräche eben.
Das Muster ist klar, oder?
»Ich heiße übrigens Hunter«, sagte ich und lächelte.
»Jen.«
Ich nickte wissend. »Jennifer war in den Siebzigern die
Nummer eins auf der Beliebtheitsskala der Mädchennamen und stand in den Achtzigern immer noch auf Platz zwei.«
»Aha.«
»Oh, äh … tut mir leid.« Manchmal langweilen sich die in meinem Gehirn gesammelten Fakten und beschließen, in meinem Mund spazieren zu gehen. Das kommt meistens nicht so gut.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ist schon okay. Es wimmelt nur so von Jennifers. Ich hab schon daran gedacht, meinen Namen zu ändern.«
»In den Neunzigern fiel Jennifer dann auf den vierzehnten Platz ab, wahrscheinlich war der Name einfach zu abgelutscht.« Ich zuckte zusammen, als mir klar wurde, dass ich das laut gesagt hatte. »Dabei finde ich ihn echt schön.«
Puh, gerade noch mal die Kurve gekriegt.
»Ich auch, aber er fängt an zu langweilen, verstehst du? Immer derselbe alte Name …«
»Zeit für ein Rebranding .« Ich nickte. »Klar. Machen alle.«
Sie lachte, und ich stellte fest, dass
Weitere Kostenlose Bücher