Coole Geschichten für clevere Leser
eine Rechnung über Aufträge, die sie seinetwegen nicht erhielt. Schließlich hatte er seine Schulden mit einem Diamantarmband eingelöst, das bei Tiffany angeschrieben worden war. Vossberg glaubte noch heute, er habe das Stück für Sylvia ausgesucht.
»Meine Frau wird sich umbringen«, sagte Werther. »Darum geht es.«
»Im Ernst?«
»Vel«, sagte Werther gepreßt. »Glaubst du, ich würde über so etwas scherzen? Weißt du, was das bedeutet? Wir müssen den Plan mit dem Wagen nicht durchziehen, die riskante Sache mit der Bremse, wir können auf den ganzen verdammten miesen Mord verzichten!«
»Ach, Wischi«, klagte Velvet und hielt sich die Ohren zu. »Sag das Wort nicht! Wie kannst du es wagen, in meinem Haus so etwas auszusprechen? Wer weiß, wer dich hört? Du weißt, wir haben uns versprochen, nie ›mmmm‹ zu sagen.«
»Wir reden seit sechs Monaten über mmmm!« sagte Werther. »Jetzt mmmm die arme Sylvia sich vielleicht selbst.«
»Die arme Sylvia!«
»Ja«, sagte Werther. »Es steht schlimmer um sie, als ich dachte – sie ist innerlich völlig durcheinander, sie haßt ihr eigenes Geld. Ein schöner Witz, was? Sie haßt das Geld, das ich so sehr liebe!«
»Geld zu hassen – da muß man schon verrückt sein«, meinte Velvet. »Vielleicht geht sie deshalb zu dem Psychiater – weil sie verrückt ist.«
»Sie ist unglücklich«, sagte Werther und stieß seufzend eine Rauchwolke aus. »Sie ist seit ihrer Jugend unglücklich. Geld hat ihr nie etwas bedeutet – nicht so wie mir.«
»Und mir«, sagte Velvet. »Hör mal, Werther«, fuhr sie fort und deutete mit einem zentimeterlangen Fingernagel auf ihre Augenwinkel. »Schau dir an, wie sich die Krähenfüßchen breitmachen. In einem Jahr geht es mit den Honoraren in den Keller.«
»Man weiß natürlich nie, wann sie es tut«, fuhr Werther fort. »Wann sie es noch einmal versucht. Vielleicht nächste Woche, vielleicht nächstes Jahr, vielleicht auch erst in zwei Jahren.«
»He!«
»Der Psychiater konnte mir keine Voraussage geben, er weiß es nicht. Hängt eben alles davon ab.«
»Davon, wie unglücklich sie ist? Dann mach sie unglücklich, Wuschi!«
»Ja, toll, großartig!« Er runzelte die Stirn. »Und was ist mit dem Geld, dem Testament, der Erbschaft? Ich hänge am seidenen Faden, und bilde dir nur ja nicht ein, daß Vossberg nicht mit einer großen Schere bereitsteht! Nein«, sagte er traurig. »Ich will die arme Frau ja nicht unglücklich machen. Ich mag sie, Velvet, das arme, bedrückte Geschöpf tut mir ehrlich leid.«
»Das gefällt mir an dir«, sagte Velvet seufzend und lehnte eine weiche Wange an sein Fußgelenk. »Du bist ein Mensch mit Herz.«
»Mir bleibt also nichts anderes übrig«, fuhr Werther fort, »als ihr die Überdosis Schlaftabletten zu geben. Dr. Miller wird aussagen, daß eine solche Tat nervlich zu ihr paßt, und dann ist alles gelaufen.«
Als er das Schlafzimmer betrat, hatte Sylvia die Augen geschlossen. Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er zu dem mit Seidenlaken bespannten ovalen Bett ging und seine Hand vor ihren Mund hielt. Ihr Atem ließ seine polierten Fingernägel beschlagen.
»Sylvia?« flüsterte er.
»Ich schlafe nicht«, sagte sie. Ihre Augen gingen auf und blickten ihn offen an; ihre Pupillen waren wie dunkle Schächte voller unvergessener Tränen. »Ich habe auf dich gewartet. Ich möchte wissen, was Dr. Miller dir erzählt hat.«
»Wie kommst du darauf, daß ich bei Dr. Miller war?«
»Es steht auf dem Notizblock am Telefon. Du hast dir seine Anschrift notiert. Offenbar hat er dich angerufen. Was hat er dir über mich gesagt?«
»Über dich – nichts.« Werther lächelte. »Er wollte lediglich wissen, was für ein mieser Ehemann nicht darauf achtet, was seine Frau aus dem Arzneischrank nimmt.«
»Wie kann er es wagen, dich einen miesen Ehemann zu nennen?«
»Aber das bin ich doch«, sagte er fröhlich. »Schau dir an, wie lange ich fort war. Wäre ich an dem Abend vor zehn Uhr hier gewesen, wäre das nicht geschehen.«
»Du arbeitest eben schwer«, sagte Sylvia. Natürlich wußte sie nichts Genaues; sie nahm lediglich an, daß alle Männer schwer arbeiteten. Ihr Vater hatte siebzig Millionen Dollar verdient, indem er sein Büro nur verließ, um zum Zahnarzt zu gehen. Werther, der nun bei der von ihrem Vater gegründeten Firma angestellt war (American Bit & Drill), war der untätigste Manager, den man sich nur denken konnte – aber das paßte allen Beteiligten recht gut. Ein
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