Coole Geschichten für clevere Leser
den besten Weinkeller in den östlichen Vereinigten Staaten. Die einzige Belastung für mein Glück ergab sich im weiteren Verlauf, als ich erfuhr, daß Jane eine unnatürliche Zuneigung zu einem jungen Studenten gefaßt hatte. Und da passierte es mir zum erstenmal überhaupt, daß ich mich im Zorn zu voreiligem Handeln hinreißen ließ …
Das wäre es, Reverend. Vierzig Jahre Glück und Freude. Natürlich gab es Anfechtungen und Probleme, doch sie waren um so einfacher zu überstehen, als ich auf meiner Suche nach Lösungen keine moralischen Grenzen ziehen mußte. Ein Leben des Fortschritts, der Bequemlichkeit und Entspannung, alles durch bewußte Sünde. Reverend, machen Sie sich keine Illusionen. Ich wußte immer, was ich tat, ich habe nie versucht, meinen Sünden mit Logik beizukommen. Predigen Sie Güte, soviel Sie wollen, aber glauben Sie nur nicht, daß Sünde kein Glück hervorbringen kann. Das kann sie nämlich, Reverend. Sehen Sie mich an.«
»Ich muß jetzt wirklich gehen«, sagte Reverend Pomeroy und stand auf. »Meine Pflichten …«
»Ja, ja, natürlich«, sagte Kiel herzlich. »Kann ich Ihnen auch bestimmt nichts mehr anbieten? Vielleicht etwas zu essen?«
»Nein, nein.«
»In der Flasche ist noch ein Gläschen …«
»Trinken Sie es selbst, Mr. Kiel. Trinken Sie es selbst. Ich – dann bis heute abend.«
»Heute abend? Ach, natürlich. Gegen elf?«
»Ja. Gegen elf.«
»Ich glaube, ich trinke den Wein wirklich selbst«, sagte Matthew Kiel.
An der Zellentür angekommen, gab Reverend Pomeroy dem Wächter ein Zeichen. Als die Tür hinter ihm zugefallen war, ging er mit hastigen Schritten durch den Korridor, ohne noch einen Blick auf den Mann zu werfen, der soeben den letzten blutroten Tropfen aus dem langstieligen Weinglas trank.
Letztes Glück
Die Stimme des Psychiaters schien in einer Art Bauchrednereffekt von dem gerahmten Diplom über seinem Kopf auszugehen. Das eingravierte Gekritzel verlieh seinem ansonsten alltäglichen Namen – Harold Miller – eine gewisse Vornehmheit. Während er die schwungvollen Kringel und Schnörkel studierte, fragte sich Werther Oaks, ob Dr. Miller wohl seine eigene Unterschrift als Vorlage für diese feine Nachbildung durch eine italienische – oder vielleicht wienerische – Hand zur Verfügung gestellt hatte. Er kniff die Augen zusammen und ermittelte den Ort des Universitätsabschlusses: New Jersey. Wo sind all die Wiener Psychiater geblieben? Dr. Miller schien zu spüren, daß sein Gegenüber nicht mehr zuhörte. Ein Räuspern erklang.
»Tut mir leid«, sagte Werther. »Ich kann mich nicht so recht konzentrieren. Was Sie da sagen, ist … nun, ich kann es einfach nicht glauben.«
»Ich weiß«, sagte Dr. Miller, und seine ernste Stimme kam nun aus der naturgegebenen Richtung. »Es ist keine Kleinigkeit, so etwas über die eigene Frau zu erfahren. Aber ich glaube ehrlich, daß es so ist. Die Überdosis war kein Zufall. Wie Freud einmal gesagt hat – es gibt keine Zufälle.«
»Das ist nur schwer begreiflich. Ich meine – bei Sylvia. Bei allem, was sie so hat.« Der ironische Zusatz: »Darin will ich mich natürlich nicht einschließen. Ich bin ihr kein schlechter Mann gewesen, aber ich erwarte natürlich nicht, daß Sie das glauben.«
»Und ich habe Sie auch nicht zu mir gebeten, um anklagend den Finger zu erheben.«
Werther blickte auf Millers Finger. Sie waren kurz und rundlich. Werthers Hände dagegen waren wohlgeformt. Er hatte als Handmodell gearbeitet, als er Sylvia im Country Club von Grosse Pointe kennenlernte. Als sie von seinem seltsamen Beruf erfuhr, hatte sie beleidigend gelächelt. Ein wenig später hatte sie sich auf der Terrasse laut gefragt, wie es wohl sein würde, von zwei berühmten Händen berührt zu werden.
»Dr. Miller«, sagte Werther, »meine Frau hat mir geschworen, sie habe die zusätzlichen Tabletten versehentlich genommen. Wollen Sie behaupten, es habe Absicht dahintergestanden?«
»Ich würde sagen, hier ist ein unbewußter Wunsch zum Ausdruck gekommen. Wissen Sie, die Tatsache, daß Ihre Frau ›alles‹ hat, bedeutet nicht, daß sie – alles hat. Verstehen Sie, was ich meine?«
An jenem ersten Abend hatte sich Werther überlegt, ob er Sylvia mit seinen berühmten Händen eine Ohrfeige verpassen sollte. Statt dessen hatte er ihr Gesicht zwischen die Hände genommen und ihr einen sanften Kuß gegeben. Der Schlag hätte sie weniger überrascht.
Trotz energischer Einwände ihrer Freunde, die Werther offen einen
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