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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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nannte die Telefonnummer des Hotels, und draußen im Land begann es zu summen. Die satten Töne im Hörer führten dazu, daß ich mich endlich wieder wie ein Mensch fühlte; es tat gut zu wissen, daß es da draußen noch eine Zivilisation gab. Schließlich gab man mir den Einsatz, und eine Frauenstimme meldete sich.
    »Hallo?«
    »Hallo. Myrna?«
    »Wer ist da?«
    »Hör mal, Myrna, ist jemand bei dir?«
    »Was? Ich kann Sie nicht verstehen!«
    »Ist jemand bei dir?« fragte ich ungeduldig. »Bist du allein?«
    »Ja? Wer spricht denn da?«
    »Ich, Walter«
    Ihr stockte der Atem, und ich mußte lächeln.
    »Walter!«
    »Ja doch«, sagte ich. »Bist du überrascht?«
    »Walter! Gott sei Dank! Ich meine, ich hab’s im Radio gehört. Ich wußte nicht, ob du lebendig oder tot …«
    »Liebling, ich bin tot, mach dir deswegen keine Sorgen.«
    »Was?«
    Ich kuschelte mich mit dem Telefon tiefer ins Bett. »Myrna, hör mir mal gut zu. Man hat sich hier draußen geirrt, sehr sogar, und wir werden uns das zunutze machen. Verstehst du?«
    »Nein.«
    »Hör zu, was ich dir sage, dann begreifst du alles. Man hat mich hier auf die Totenliste gesetzt. Man hält mich für tot. Verstehst du? Ich bin als Unfallopfer aufgeführt!«
    »Was?«
    Wie blöd kann eine Frau überhaupt sein?
    »Man hat sich geirrt und eine der Leichen als mich identifiziert. Na ja, vielleicht war es nicht nur ein Irrtum; ehe ich aus den Trümmern kletterte, hab ich mit einem anderen Kerl die Brieftasche gewechselt. Er ist im Feuer verbrannt; man wird ihn nie identifizieren können.«
    »Aber warum denn das, Walter? Warum?«
    Ich hatte irgendwo gelesen, daß Frauen etwa achtzig Prozent des Geldes im Lande kontrollieren. Eigentlich unvorstellbar. Ich machte ihr die Sache klar, langsam und geduldig, wie es die Pflicht und Schuldigkeit des Ehemannes ist.
    »Was ist das einzig Wertvolle, das wir besitzen?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Du weißt doch von der Versicherung, die ich abgeschlossen habe. Fünfundzwanzigtausend Dollar Lebensversicherung. Fünfundzwanzig Riesen! Mehr Geld, als wir in einem ganzen Leben zusammensparen könnten …«
    »Aber das bekommen wir doch gar nicht! Nicht wenn du lebst!«
    Ich betrachtete den Hörer und wünschte mir, hindurchgreifen und sie erwürgen zu können. »Ich bleibe aber tot, Myrna, kapiert? Du wirst um mich trauern. Dann besorgst du dir von der Versicherungsgesellschaft einen Scheck über fünfundzwanzigtausend Dollar. Das Geld kommt auf die Bank. Dann warten wir ein bißchen und ziehen fort. Du und ich und das Geld. Hast du jetzt begriffen?«
    »Ja«, sagte sie nach einer langen Pause. »Ich habe verstanden, Walter.«
    »Braves Mädchen. Ich rufe dich bald wieder an.«
    »Na schön, Walter. Ich bin nicht sicher, ob wir das wirklich tun sollten. Aber du mußt ja immer deinen …«
    »Wiederhören, Myrna.«
    Ich legte auf, solange ich die Nase noch vorn hatte. Dann zerrte ich das Kissen vom Bett und drückte es wie ein aufgeregtes Kind an mich. Fünfundzwanzigtausend Dollar! Wurde auch langsam Zeit, daß ich mal Glück hatte.
    Die hundertundfünfzig reichten eine Woche. Ich kleidete mich damit im Dorfladen neu ein und bezahlte mein Zimmer und mein Essen und eine Fahrkarte nach Boston. Außerdem erstand ich einen billigen Pappkoffer, dachte ich mir doch, daß ein Reisender mit Gepäck in der Menge weniger auffiel. An einem Freitag morgen tat ich das örtliche Telefonbuch, die Gideonbibel und etliche Handtücher in den Koffer und ging nach unten. Dort bezahlte ich die Rechnung und verabschiedete mich von meinem Freund mit den Hosenträgern.
    »Wiedersehen, Mr. Arnold«, sagte er.
    Ich lachte den ganzen Weg zum Bahnhof.
    In Boston angekommen, marschierte ich sofort zu einer Telefonzelle und rief die gute alte Myrna an.
    »Bist du allein?« fragte ich.
    »Wer spricht da?«
    »Walter«, flüsterte ich. »Ich hab dir doch gesagt, ich würde anrufen.«
    »Wo bist du?«
    »Am Bahnhof. Bin eben angekommen. Gibt’s was Neues?«
    Ich hörte sie schlucken. »Man – man hat mir deinen – die Leiche geschickt. Die Beerdigung war Dienstag.«
    »Großartig!« sagte ich grinsend. »Waren viele da?«
    »Nein, kann man nicht sagen. Sandy und Jane haben es nicht geschafft. Dafür sind Doris und Tom dagewesen. Mutter wollte aus Los Angeles herüberfliegen, aber ich habe ihr telegrafiert, sie soll sich nicht die Mühe machen. Ich meine, es wäre mir blöd vorgekommen …«
    »Du hast ihr doch nichts verraten?« fragte ich

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