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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Mr. Nolan.«
    »Wieso? Weshalb?«
    Jetzt meldete sich der andere. »Der Staatsanwalt möchte sich mit Ihnen unterhalten, Mr. Nolan.«
    Der Text war geradezu filmreif. Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, die beiden zur Seite zu schieben und zur Drehtür zu rennen, doch urplötzlich hatte ich weiche Knie und brachte nichts Klügeres heraus als: »Na schön, wenn Sie darauf bestehen.«
    Im Büro des Staatsanwalts stand ich schließlich Myrna gegenüber. Sie starrte mich an, als käme ich von einem anderen Planeten. Sie trug Schwarz, was ihrer hageren Figur nicht gerade gut bekam.
    Der Kerl hinter dem Tisch fragte: »Erkennen Sie ihn, Mrs. Gorse?«
    »Nein. Nein, ich habe ihn noch nie gesehen«, antwortete sie und begann zu weinen.
    Ich straffte die Schultern und spielte den harten Mann. »Na schön«, sagte ich. »Es hat also nicht geklappt. Ich komme dafür nicht gleich auf den Stuhl.«
    »Mag sein«, sagte der Staatsanwalt. »Trotzdem müssen Sie auspacken.«
    Und ich berichtete. Ich erzählte den Beamten, wie ich im Zug den Kerl kennengelernt hatte, den rosigen Burschen im Fischgrätenanzug, der zuviel trank und zuviel redete und mich andauernd mit Beschlag belegte, weil ich ein so freundliches Gesicht hatte. Der Bursche, der mir all seine Geldsorgen anvertraute, der mir von seiner dummen und gehorsamen Frau Myrna erzählte und von dem einzigen Vermögenswert, den er besaß: seiner Versicherung.
    Dann berichtete ich von dem Zugunglück und dem Feuer und dem Einfall, der mir kam, als ich das schäbige Hotel in Hopkins Falls erreichte. Es war eine gute Idee, die ich raffiniert in die Tat umsetzte. Myrna merkte gar nicht, daß die Stimme am Telefon nicht ihrem Mann gehörte. Sie war nicht besonders helle, und ich hatte ihrem Mann lange genug zugehört, um seine Art des Sprechens nachahmen zu können.
    »Sie waren sich Ihrer Sache zu sicher, Nolan«, stellte der Staatsanwalt fest. »Sie haben die Versicherungsgesellschaft unterschätzt. Die verlangte nämlich, daß die Leiche bis zu den Zähnen identifiziert werden mußte. Als auf diese Weise bestätigt wurde, daß der Tote tatsächlich Walter Gorse war und Mrs. Gorse diesen Umstand samt Begründung erfuhr, rief sie uns an. Wir baten sie, das Spiel mitzumachen, bis Sie das Geld tatsächlich in der Hand hätten. Wir waren Ihnen von Anfang an auf der Spur.«
    »Schlau eingefädelt«, sagte ich spöttisch. Ja, er war schlau. Aber er hatte eine pickelige Nase und ungerade Zähne; zumindest sah ich besser aus als er.

Mir gefälltes in Wilmington
    Für einen Mann, der sich mit Mordgedanken trug, brachte Harry Elton die Frage wunderbar gelassen heraus. »Nun, Roberta, gehen wir auf die Veranda?« Diese Worte sagte er jeden Abend nach dem Essen. Daraufhin suchten sie die wunderschöne, dreitausend Dollar teure umschlossene Veranda auf, deren Jalousien den Blick freigaben auf das herrliche Panorama der sanft geschwungenen Hügelrücken Wilmingtons. Bei gutem Wetter waren die Schiffe auf dem Christina River zu sehen. Dieses Panorama schenkte Zufriedenheit, dazu der gelassene Zug an einer guten Zigarre und die angenehm mütterliche Gesellschaft seiner Frau.
    »Mir gefällt’s in Wilmington«, pflegte Harry zu seufzen. Er lebte nur vierzig Kilometer von seiner Geburtsstadt Philadelphia entfernt, wo er als armer Junge geboren worden war, aber der Delaware war sein Rubikon. In Wilmington hatte er Marvin Castlemore kennengelernt, einen der besten Produktionsexperten der Textilindustrie; ihre Partnerschaft hatte sie reich gemacht. Harry baute sich sein Traumhaus, setzte Roberta hinein und sah zu, wie sie dicker wurde.
    Jetzt saß Harry auf seiner dreitausend Dollar teuren Veranda und sagte: »Roberta, es ist etwas Schreckliches passiert. Die Firma steht vor dem Bankrott.«
    »Bankrott!« keuchte seine Frau.
    »Es ist alles meine Schuld«, sagte Harry offen. »Seit zwei Jahren redet Marvin auf mich ein, wir müßten entweder expandieren oder würden unsere Kundschaft an die großen Firmen verlieren. Ich habe nicht auf ihn gehört, und jetzt stehen die Probleme vor der Tür. Wenn wir unseren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, legt die Bank den Betrieb still, und es wird alles versteigert. Haus. Cadillac. Die Reise nach Europa können wir dann in den Schornstein schreiben. Zwanzig Jahre Arbeit futsch. Alles!«
    Roberta begann zu weinen.
    »Bitte verlang nicht, daß ich meinen Fonds angreife, Harry. Du weißt, ich habe Daddy auf dem Totenbett versprochen, ich würde

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