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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Weste schob sich ins Zelt.
    »Wir richten in der Stadt eine Hospitalstation ein«, sagte er. »Wenn ganz schlimme Fälle vorkommen, verfrachten Sie sie in Jakes Lkw. Lincoln City schickt den Krankenwagen.«
    Der Pfleger führte mich nach draußen, und zum erstenmal sah ich die Reihen der Toten und Verwundeten auf dem Boden liegen. Der Anblick tat meinem Magen nicht gerade wohl.
    »Hören Sie, ich will weg von hier …«
    »Verstehen wir, Mister. Autos und Lkws sind schon unterwegs. Bis zur Stadt ist es nur eine Viertelmeile.«
    »Ich gehe zu Fuß«, sagte ich. »Ehrlich, mir geht es gut. Es wäre schlimmer für mich, wenn ich hier herumhängen müßte.«
    Er zuckte die Achseln. »Wie Sie wollen.«
    Er wies mir den Weg, und ich marschierte los. An der Straße angekommen, hatte ich Glück. Ein alter Ford näherte sich im Kriechgang, und ein Typ mit langen Koteletten steckte den Kopf aus dem Fenster und bot mir seinen Beifahrersitz an. Ich akzeptierte. Der Bursche bestürmte mich mit Fragen über den Unfall, doch ich tat, als sei ich zu krank zum Reden, bis er endlich den Mund hielt.
    Die Stadt machte nicht gerade viel her. Ein paar Holzhäuser lehnten aneinander, und das einzige Neonschild am Ort zeigte die gewünschten Buchstaben: HOTEL. Ich stieg aus dem Ford, winkte dem alten Knaben zum Abschied zu und sah mich auf der Hauptstraße um. Man mußte Respekt haben vor solchen Orten. Hier gediehen all die netten fetten Lämmer, denen Burschen wie ich das Fell scheren. Am liebsten hätte ich respektvoll den Hut gezogen. Der Gedanke ermunterte mich; ich lachte und öffnete die Hoteltür.
    Es dauerte eine Weile, bis ich hinter den Gummibäumen des Foyers den »Portier« aufgespürt hatte. Er war ein spindeldürrer Knabe mit altmodischen Hosenträgern, die seine schmalen Schultern einkerbten. Er starrte mich neugierig an und drehte dann das Hotelregister zu mir herum. Beim Anblick der leeren Seite lachte ich leise; dieser Laden hätte Conrad Hilton nicht gerade vom Stuhl gehauen. Als ich den Mann nach einem Zimmer mit Bad fragte, verschluckte er fast sein falsches Gebiß. Vielleicht hielt er mich für einen Idiotenkollegen; mein Brooks-Brothers-Anzug sah nicht gerade neu aus. Ich trug mich als Benedict Arnold ein und suchte mein schäbiges Zimmer auf, das im Obergeschoß lag.
    Die Federn des alten Bettes bogen sich mit rostigem Seufzen. Doch mir war alles egal. Schlaf überkam mich wie ein Schwinger auf den K.O.-Punkt.
    Ich erwachte mit schmerzender Hüfte. Hastig legte ich die Hand auf die Stelle, besorgt, daß doch etwas gebrochen sein könnte. Doch es war nur die dicke Brieftasche in meiner Hose.
    Ich richtete mich auf und zog das Gebilde heraus.
    Hundertundfünfzig Dollar steckten darin. Ich legte die Scheine nebeneinander auf das Bett, ins helle Sonnenlicht, das durch das staubige Fenster hereinfiel, und zählte sie ein zweitesmal. Hundertundfünfzig, es blieb dabei. Damit kam ich eine Weile hin.
    Ich griff nach dem Zimmertelefon und mußte fünf Minuten lang warten, bis sich jemand meldete. Ich bestellte Toast, Kaffee und Zeitungen und rechnete mir aus, daß ich Glück hätte, von diesen drei Sachen zwei zu bekommen. Anschließend legte ich mich wieder auf das Bett, angelte eine Zigarette aus der zerdrückten Packung in meiner Tasche und paffte vor mich hin. Die Stille förderte das Nachdenken.
    Eine halbe Stunde später kam Hosenträger-Kid und brachte feuchten Toast, wäßrigen Kaffee und ein Exemplar der hiesigen Gazette: sämtliche vier Seiten. Ich beklagte mich nicht über den Service. Warum sollte ich dem nächsten Gast das Leben leichter machen? Ein Trinkgeld gab ich aber auch nicht.
    Dann griff ich nach der Zeitung. Das Zugunglück füllte das Blatt von vorn bis hinten: wahrscheinlich die sensationellste Story, seit das Baby in den Trog fiel und vom Schwein gefressen wurde. Ich überschlug den Hauptartikel, der in blumiger Prosa das gigantische Ereignis darstellte, und wandte mich der Liste der Opfer zu. Sie war zwar noch nicht vollständig, enthielt aber das Gewünschte. Den Namen dort zu sehen war so schön wie die Liebe einer anständigen Frau.
    Ich wischte die Zeitung vom Bett und griff wieder nach dem Telefon. Diesmal war mein Freund alarmbereit. Ich eröffnete ihm, daß ich ein Ferngespräch führen wollte, was ihn offenbar beeindruckte.
    »Ich möchte gern eine Verbindung nach Boston«, sagte ich zur Dame des Fernamts. »Ein persönliches Gespräch mir Mrs. Walter Gorse, Lafayette Street 1240 …«
    Ich

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