Coole Geschichten für clevere Leser
auszugleichen gedachte.
Endlich war es an der Zeit, Myrna anzurufen.
»Hallo, mein Liebling. Hier Walter. Kannst du offen reden?«
»Ja. Wie geht es dir?«
»Großartig. Allerdings fehlst du mir.«
»Das ist nett«, sagte sie trocken.
»Was war los? Ist das Geld da?«
»Walter, mußt du denn andauernd flüstern? Ja, die Versicherung hat gezahlt. Letzte Woche schon.«
Ich schloß die Augen und begann von den Dingen zu träumen, die ich mir seit meiner Geburt gewünscht hatte.
»Schön. Hör mir gut zu. Ich sag dir, was wir jetzt machen. Bitte geh zur Chemical National Bank an der Clover Street. Du weißt schon, in der Nähe des Tors. Dort eröffnest du ein Gemeinschaftskonto auf den Namen John Nolan. Verstanden?«
»Aber, Walter …«
»Laß mich ausreden, ja? Du eröffnest das Konto und läßt dir alle Formulare aushändigen, die ich unterschreiben muß. Dann schickst du sie mir herüber, hier ins Hotel. Alles klar?«
»Verstanden.«
»Schön. Erledige das bitte gleich, heute früh noch. Anschließend sage ich dir, wie es weitergeht.«
»Ja, Walter.«
Ich lächelte und legte den Hörer auf.
Die gute alte Myrna funktionierte bestens. Am nächsten Morgen fand ich den Umschlag unter meiner Tür. Ich füllte den Kontoantrag aus, unterzeichnete schwungvoll mit »John Nolan«, steckte das Formular in einen neuen Umschlag und adressierte ihn an sie. Am nächsten Tag rief ich an und erkundigte mich, ob sie das Formular bei der Bank eingereicht hatte. Sie sagte ja.
Eine Woche später hatte ich das Kontobuch.
Die Chemical National Bank öffnete ihre Messingtüren um neun Uhr früh. Am Tag nachdem ich das Kontobuch erhalten hatte, stand ich um zehn Uhr vor der Bank, im besten Anzug, den ich mir von meiner schnell schwindenden Barschaft leisten konnte. Ich wollte meine Rolle überzeugend spielen – die des gepflegten, welterfahrenen Geschäftsmannes, der eine große Summe abhebt, als brauche er nur mal eben etwas Taschengeld.
Meine Absätze klickten auf dem Marmorboden, meine Augen waren auf den Schalter gerichtet, über dem die Buchstaben M-N-O standen. Aus den Augenwinkeln nahm ich die blaue Uniform eines Bankwächters wahr. Der Mann sah aus wie ein dicker, fauler Kater.
Ich trat vor den Schalter und wollte schon den blonden jungen Mann dahinter ansprechen. Im letzten Augenblick fiel mir ein, daß ich ja zunächst einen Auszahlungsschein ausfüllen mußte. Ich lächelte entschuldigend und ging zu dem mit Glas eingefaßten Tisch in der Mitte des Raums. Dort nahm ich das Kontobuch zur Hand, kritzelte die Kontonummer auf das weiße Blatt und trug den Betrag ein: dreitausend Dollar. Ich wollte nicht alles abheben, dazu war ich zu schlau. Solche Geldbewegungen fielen auf. Ich gedachte den Betrag stückweise in Angriff zu nehmen.
Nun ging ich zum Schalter zurück und mußte warten, während ein Jüngling in Lederjacke einen mageren Zehndollarscheck einlöste. Dann schob ich dem jungen Kassierer Kontobuch und Beleg hin.
Er hob den Kopf. »Mr. Nolan?«
»Richtig.«
Er lächelte. »Einen Augenblick.«
Er verließ seinen Schalter und ging zu einem Telefon. Ich blieb ganz ruhig. Dreitausend waren keine Kleinigkeit. Bankkassierer sicherten sich ab.
Noch immer lächelnd kam er zurück. »Wollen Sie nicht lieber einen bestätigten Scheck? Dreitausend Dollar sind ein bißchen viel Bargeld.«
Für dich vielleicht, dachte ich. »Lieber in bar«, sagte ich.
»Wie hätten Sie’s denn gern?«
»Egal. Fünfhunderter, Hunderter, Fünfziger, ein paar Zwanziger. Ist mir gleich.« Ich stützte mich nonchalant auf den Schalter und lächelte.
»Jawohl, Sir«, sagte er. Das Sir klang mir gut in den Ohren.
Mit schnellen Bewegungen zählte er mir die Scheine hin. Ich bewunderte ihn und nahm an, daß er es in der Bank noch weit bringen würde. Ich war bester Stimmung.
»Bitte sehr, Sir!«
»Danke.« Ich ließ das Geld in meine Brieftasche gleiten, die nun aber nicht mehr zuging. Ein erfreuliches kleines Problem. Er bedachte mich mit einem verständnisvollen Lächeln, während ich einige Zwanziger abblätterte und in die Tasche schob. Dann marschierte ich los, ganz langsam.
Die beiden Kerle, die mich an der Tür abfingen, waren fast einen Kopf kleiner als ich. Doch ich brauchte mir nur anzusehen, wie sie ihre Arme hielten, um zu wissen, daß die Schußwaffen zu ihren Gunsten sprachen. Einer der beiden packte mich am Ellenbogen.
»John Nolan?« fragte der andere.
»Ja. Was ist denn?«
»Sie müssen uns leider begleiten,
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