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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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schüttelte dabei ungläubig-verwirrt den Kopf. Als das Telefon klingelte, griff er nach dem Hörer, ohne den Blick von den Buchstaben zu nehmen.
    »Hal.«
    »Wer ist da?«
    »Na, das ist aber prächtig! Erkennst du mich nicht mal?«
    »Hildy? Du rufst aus Providence an?«
    »Sag mal, was soll das? Du bist mir vielleicht ein Witzbold! Warum bist du heute früh einfach abgehauen?«
    »Wie bitte?«
    Ihre Stimme ließ erkennen, daß sie schmollte. »Das ist aber ehrlich nett von dir – du hast es fertiggebracht, daß ich mir wie ein Tramp vorkomme, besonders nach der letzten Nacht …«
    »Wovon redest du denn, zum Teufel?« brüllte Ivers.
    »Du weißt sehr gut, wovon ich rede!« Sie schnalzte plötzlich mit der Zunge. »Du warst richtig süß gestern nacht, wie ein kleiner Junge im Bett eingekuschelt. Danach hast du dich aber wie ein großer Junge aufgeführt.«
    »Du bist gestern abend nach Hause zurückgekommen?« fragte Ivers.
    »Natürlich, du Blödmann! Warum bist du abgehauen?« fragte sie vorwurfsvoll. »Komm sofort zurück, Tarzan, klar?«
    »Klar«, sagte Ivers niedergeschlagen. »Bin gleich da. Ach, Hildy …«
    »Ja?«
    »Da ist noch eine Kleinigkeit. Kannst du mir hundert Dollar leihen?«

Liebling, ich bin tot
    Ohne mich um die Glasscherben und heißen Metallbrocken unter meinen Händen und Knien zu kümmern, kroch ich aus dem umgestürzten Eisenbahnwaggon. Kaum spürte ich kalte Luft auf dem Gesicht, richtete ich mich auf und begann das pulverige Zeug abzustäuben, das meine Kleidung bedeckte. Im nächsten Augenblick brüllten die Flammen wie ein wildes Tier hinter mir auf, und ich brachte mich hastig in Sicherheit.
    Es war erst zehn Minuten her, seit der erste Wagen kreischend aus den Schienen gesprungen war und den Rest des Boston-Expreß die Schotterböschung hinabgeschleudert hatte – doch schon waren die Gaffer zur Stelle. Nichts fasziniert die Menschen so sehr wie Blut und Fußball – und hier war der Zirkus bereits in vollem Gang. Man suchte den Unfallort mit Scheinwerfern ab, brüllte Befehle und hämmerte auf dem verbogenen Metall herum, um an die Überlebenden heranzukommen. Es war wirklich ein tolles Spektakel.
    Mir war ziemlich mies zumute, doch lebte ich wenigstens noch, was zur Abwechslung mal ein Glücksfall war. In den letzten Monaten hatte ich ansonsten nur Pech gehabt; als ich das Ruckeln und Stoßen des Salonwagens spürte, glaubte ich gar mein letztes Stündchen gekommen.
    Aber das war ein Irrtum. Irgendeine höhere Macht hatte sich offenbar ausgerechnet, daß ich noch für ein paar weitere sorgenvolle Jahre gut war. Ich wurde gegen ein Ledersofa geschleudert, das über mich fiel. Als dann die harten Brocken von der Decke prasselten, war ich einigermaßen geschützt. Alle anderen Fahrgäste hatten Pech – auch der Betrunkene im Fischgrätenanzug, der mir eben noch drei Drinks hintereinander spendiert hatte für das Privileg, aus seinem Leben erzählen zu dürfen. Mein Magen geriet in Bewegung, wenn ich mir vorstellte, was das Feuer jetzt mit den armen Schluckern anstellte; ich schaltete meine Phantasie lieber ab.
    Mit den Füßen voran rutschte ich einen Hang hinab und hob die Arme, um nicht die Balance zu verlieren. Einige Meter entfernt stand ein Mann in einem schmutzigen weißen Hemd. Er hielt eine Schaufel in der Hand.
    »He! He, Mister, fehlt Ihnen was?« brüllte er.
    »Nein!« sagte ich. »Nein, alles in Ordnung.«
    »Sie sind gerade noch rausgekommen. Weiter unten an der Strecke wird eine Erstehilfestation eingerichtet. Schaffen Sie es bis dahin?«
    »Sicher. Wo sind wir überhaupt? Was für eine Stadt ist das?«
    »Dicht vor Hopkins Falls. Der Krach war bis in die Stadt zu hören. Klang wie eine Bombe.«
    Er lief davon, sein Gesicht schimmerte hell im Schein des Flutlichts. Ich marschierte auf das Erstehilfezelt zu, und ein junger Bursche in verdreckter weißer Uniform führte mich ins Innere. Am Tisch saß eine matronenhaft wirkende Frau mit einem Klemmbrett und sah aus, als gehörte sie zur Jury einer Gartenschau. Sie fragte mich nach meinem Namen.
    »Ich bin noch ganz durcheinander«, sagte ich, taumelte gegen den Tisch und spielte den Erschöpften. Aus irgendeinem Grund war mir nicht danach, dieser eiskalten Mamma meinen Namen zu sagen.
    »Jerry!« fauchte sie.
    Der weißgekleidete Pfleger nahm mich am Arm und grinste. »Sie sehen eigentlich ganz heil aus, Junge. Glück gehabt.«
    »Ja«, sagte ich schwach. »Da haben Sie wohl recht.«
    Ein dicker Mann in karierter

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