Coole Geschichten für clevere Leser
Maddox großen Hunger hat. Habe ich nicht recht, Mr. Maddox?«
»Nein«, sagte Warren und fuhr sich mit der feuchten Handfläche über die schweißnasse Stirn.
Es dauerte fast dreißig Stunden, ehe Warren Maddox den Inhalt des Briefes erfuhr, den die Entführer abgeschickt hatten. Warren schwankte in dieser Zeit zwischen Entrüstung, Angst und hilfloser Langeweile. Seine Bewacher gewährten ihm freien Zugang zu den drei Räumen des Bauernhauses: eine schmutzige Küche, ein kahles Wohnzimmer und ein enger Schlafraum mit zwei Pritschen. Ein Kofferradio unterrichtete sie über die Außenwelt, doch dauerte es bis fünf Uhr am nächsten Nachmittag, ehe das Verbrechen bekanntgegeben wurde.
»… die Entführer Warren Maddox’, des Präsidenten der Maddox-Gerätefirma, fordern zehntausend Dollar für die Freilassung des Geschäftsmannes. Emanuel Maddox, der Bruder und Anwalt des Opfers, erklärte dazu, das Lösegeld werde unter keinen Umständen gezahlt. Dies gehe auf eine Anweisung seines Bruders zurück …«
»Sehen Sie? Sehen Sie?« sagte Warren aufgeregt zu den beiden Entführern. »Sie zahlen nichts. Ich hab’s Ihnen doch gleich gesagt! Sie verschwenden nur Ihre Zeit!«
»Leo«, sagte der linkische Mann leise. »Gib Mr. Maddox Papier und Füller. Mr. Maddox, Sie setzen sich jetzt hin und schreiben Ihrer Familie, sie soll die Anweisung vergessen und blechen. Los, schreiben Sie schon!«
»Aber das nützt doch nichts! Ich habe gleich darauf aufmerksam gemacht, daß man mich zwingen könnte, so etwas zu schreiben …«
»Schreiben Sie den Brief trotzdem, Mr. Maddox!«
Maddox schrieb den Brief, der die Entführer zufriedenstellte. Es handelte sich um eine geschäftsmäßig-nüchterne Nachricht an Evelyn, worin er zum Ausdruck brachte, er habe sich mit der ursprünglichen Anweisung geirrt und bäte sie, das Geld wie verlangt zu zahlen. Leo, der Ex-Sträfling, gab den Brief in der Stadt auf.
Am folgenden Nachmittag kam die Antwort durch das Radio.
»… erhielt die Maddox-Familie eine neue Lösegeldforderung, vom Opfer der Entführung wohl unter Zwang geschrieben. Mrs. Evelyn Maddox, die Frau des bekannten Geschäftsmannes, sagte: ›Mein Mann rechnete damit, daß man ihn zwingen würde, einen solchen Brief zu schreiben, und hat mich angewiesen, alle Geldforderungen zu ignorieren .‹«
Der linkische Mann fluchte und schaltete das Radio aus. »Na schön«, sagte er gepreßt. »Wenn Sie das Spielchen so haben wollen, ändern wir die Regeln. Leo, hol mir ein Küchenmesser.«
»Aber klar«, sagte der Ex-Sträfling. Er ging in die Küche und kehrte mit einem Schneidemesser zurück, einer langen gekrümmten Klinge mit braunem Griff und funkelnder Spitze.
»Was haben Sie vor?« fragte Warren und verlor auch noch das letzte Quantum Farbe aus dem Gesicht.
»Wir werden beweisen, daß wir es ernst meinen. Wir legen dem nächsten Brief einen Ihrer Finger bei, damit Ihre Leute endlich erkennen, daß wir nicht mehr lange fackeln.«
»Aber das können Sie doch nicht tun! Es ist nicht fair!«
»Welche Hand soll es sein, Mr. Maddox?«
Warren versteckte die molligen Hände hinter dem Rücken. »Nicht! Sie können das doch nicht tun!«
»Hören Sie, Mr. Maddox, mir gefällt diese Masche auch nicht besser als Ihnen. Aber die Kiste ist ziemlich verfahren, da haben wir kaum eine andere Wahl. Also ran ans Werk, Kumpel. Rechts oder links?«
»Nein!« kreischte Warren, als Leo sein Handgelenk packte. »Ich zahle das Geld doch, ja, ich versprech’s Ihnen!«
»Ja? Wie denn?«
»Ich schreibe meiner Frau noch einmal! Diesmal überzeuge ich sie. Ich bringe sie dazu, die Anweisung außer acht zu lassen!«
»Sie glauben, das können Sie?«
»Natürlich kann ich das! Ich kenne doch meine Frau. Geben Sie mir Papier und Füllfederhalter!«
»Leo!« sagte der linkische Mann.
Mit unsicherer Hand und begleitet von zahlreichen Tintenflecken, schrieb Warren:
Liebe Evelyn,
dieser Brief wird nicht unter Zwang geschrieben. Man bedroht mich mit Verstümmelung. Du mußt alle früheren Anweisungen ignorieren und die zehntausend Dollar wie gefordert schicken. Dies ist ein Befehl.
Warren.
Doch vierundzwanzig Stunden später warteten die Männer noch immer vergeblich auf das Lösegeld.
»Ich habe jetzt genug!« sagte der linkische Mann zornig und trat so heftig gegen einen Holzstuhl, daß das Bein abbrach. »Wir haben mit Ihnen viel Zeit verschwendet, Kumpel, und kommen keinen Zentimeter vom Fleck!«
»Aber ich hab’s Ihnen doch gleich
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