Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
laut hin und blickte schuldbewußt zur offenen Tür. Seine Hände zitterten, und er steckte sie in die Jackentasche und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Im Flur ertönte Stimmengemurmel, und er registrierte erleichtert, daß die Besprechung zu Ende war.
    Mead steckte den Kopf durch die Türöffnung.
    »Anruf erledigt?« fragte er lächelnd.
    »Ja«, sagte Hendricks.
    »Nicht viel passiert, nachdem Sie weg waren. Der Alte hat sich die Entscheidungen des Kampagneausschusses durchgelesen. Sie haben sich ja wohl Notizen gemacht?«
    »Ja, eine Liste«, sagte Hendricks. »Muß sie im Konferenzraum liegengelassen haben.«
    Mead hob einen gelben Block mit blauen Linien empor. »Das hier?« grinste er.
    »Ja«, sagte Hendricks und fing den Block auf, den Mead ihm mit leichter Hand zuwarf. »Vielen Dank, Ralph.«
    »Hübsche Notizen«, sagte Mead, der sich offenbar nicht entschließen konnte weiterzugehen. Hendricks tat, als wäre er in seine Aufzeichnungen vertieft. »Komplett und sauber«, sagte Mead. »Sie sollten sich in die Marketingabteilung versetzen lassen, Bill.«
    »Ich muß alles aufschreiben. Habe ein mieses Gedächtnis.«
    »Ja«, sagte Mead tonlos. Eine vage Befriedigung im runden Gesicht, stand er auf der Schwelle zu Hendricks’ Büro und wippte auf den Zehenballen. Worauf wartet er? fragte sich Hendricks ärgerlich.
    »Kommen Sie heute abend auf einen Drink mit, Bill?« fragte Mead schließlich. »Harry, Lew und ich sind unten verabredet.«
    Hendricks schüttelte den Kopf. »Nein, vielen Dank. Muß noch ein paar Sachen wegarbeiten, ehe ich nach Hause fahre. Meine Bäckereiunterlagen sind ziemlich durcheinander.«
    »Verstanden«, sagte Mead. »Na schön, Bill. Dann bis Montag, ja?«
    »Ja«, sagte Hendricks.
    Er seufzte, als der Mann aus der Marketingabteilung verschwunden war. Als müsse er die Ablehnung rechtfertigen, die er eben ausgesprochen hatte, machte er sich über seine Notizen her.
    Es wurde fünf Uhr, und der Lärmpegel im Büro senkte sich. Die Sekretärinnen zogen Mäntel an, ihr Gelächter klang schriller und fröhlicher als sonst, denn heute war Freitag. An den Fahrstühlen hallten die unvermeidlichen scherzhaften Wortwechsel auf, und hier und dort lachte eine kleine Gruppe, die noch in einem Büro zusammensaß. Auch diese Nachzügler verließen schließlich die Agentur, und zuletzt war Bill Hendricks von dem gepolsterten Schweigen umgeben, das typisch war für ein verlassenes Wolkenkratzerbüro. Er starrte ausdruckslos auf seine kleine Schrift.
    Etwa zehn Minuten lang hing er seinen Gedanken nach, dann nahm er sich zusammen. Wieder starrte er auf den Block. Die detaillierten Anweisungen, die er während des Gesprächs notiert hatte, kamen ihm plötzlich seltsam bedeutungslos und unwichtig vor. Er schob den Block widerwillig fort. Dann nahm er einen Schlüssel aus der obersten Schublade und öffnete die Hängeregistratur unten links an seinem Tisch.
    In dem Fach lag ein einsamer Umschlag, der weitere Notizen enthielt – allerdings von besonderer Art.
    Bill Hendricks studierte sie mit grimmiger Freude.
Geht mir jeden Abend arg auf die Nerven.
Gibt $ 500 aus für einen Mantel, den sie nicht braucht.
Hat mich vor meinen Freunden Lügner genannt.
Hat einen guten Satz Golfschläger weggeworfen.
Hat absichtlich mein bestes Sporthemd zerrissen.
Behält den Wagen zu Hause, so daß ich vom Bahnhof zu Fuß gehen oder ein Taxi nehmen muß.
Weigert sich, zum Urlaub dorthin zu fahren, wohin ich möchte, jedesmal wieder.
Läßt mich im Wohnzimmer schlafen, wenn sie sich wieder mal aufgeregt hat.
Beleidigt meine Sekretärin.
Nennt Joe Dennis einen Nichtsnutz, und zwar so laut, daß er es hören mußte.
Macht mir morgens nie das Frühstück.
Versteckt ewig die blöden Aschenbecher.
Nennt meine Familie einen Haufen Blutegel.
Gab mir eine Ohrfeige, als ich ihr mal die Augen über sich selbst öffnete.
Benutzt ohne Erlaubnis meine Toilettensachen.
Kümmert sich nie richtig um meine Kleidung – zuviel Stärke in den Hemden, Löcher in Socken und Unterzeug.
Benimmt sich bei wichtigen Geschäftsparties wie eine Idiotin.
    Er überlas die letzte Eintragung, und seine Nasenflügel bebten. Dann griff er nach seinem Kugelschreiber und erweiterte die Liste um eine Eintragung.
    18.   Ruft mich immer zur ungünstigsten Zeit an und tut, als hätte sie etwas Wichtiges.
    Er ging noch einmal die Liste durch, deren Länge ihn mit Zufriedenheit erfüllte. Dann steckte er den Bogen wieder sorgfältig in den Umschlag,

Weitere Kostenlose Bücher