Coolman und ich. Ganz großes Kino (German Edition)
Dann wäre der Tag wenigstens nicht völlig verloren.
Ich hole die CD-Rom aus meiner Hosentasche und schiebe sie in den Rechner vor mir.
Zuerst passiert überhaupt nichts. Dann fängt plötzlich der Bildschirm an zu blinken und eine rote Schrift verkündet: »Achtung! Unbekannter Virus! Datei kann nicht gerettet werden! Irreparabler Fehler! Die Festplatte wird gelöscht in 5 ... 4 ... 3 ... 2 ... 1 Sekunden. Konvertierung aller Festplatten im Netzwerk läuft.«
Ich verstehe nur die Hälfte von dem, was da steht. Aber man muss kein Informatiker sein, um zu wissen, dass es nichts Gutes bedeutet.
Ich hämmere auf die Tastatur, um den Löschvorgang abzubrechen. Das klappt nicht.
Das Zerstörungsprogramm läuft unbeeindruckt weiter.
»Schätzchen, was machst du da?«, höre ich eine verrauchte Stimme hinter mir.
Ich habe Hella van Achtern gar nicht kommen hören. Wie betäubt starrt sie auf den Bildschirm. Ihr Gesicht wird ganz blass. Sie sollte weniger rauchen, denke ich, aber es ist wahrscheinlich gerade kein guter Moment, ihr das zu sagen.
»Auf den Rechnern ist der ganze Film gespeichert. Alles, was wir bisher gedreht haben«, stottert die Produzentin, und dass sie mich nicht mehr »Schätzchen« nennt, ist kein gutes Zeichen.
»Sie haben doch bestimmt Sicherungskopien. Dutzende von Sicherungskopien, nicht wahr?«
Hella van Achtern schüttelt den Kopf.
»Sie meinen, es ist alles weg?«
Die Produzentin nickt.
»Alles, bis auf das, was wir heute gedreht haben.«
»Dann drehen wir die Szenen eben noch einmal. Sie werden sehen, das wird noch viel besser als beim ersten Mal, weil wir das ja alles schon geprobt haben. Man muss das alles nur positiv sehen«, versuche ich sie zu trösten.
»Es ist kein Geld mehr da, um noch einmal von vorn anzufangen«, antwortet Hella van Achtern tonlos.
»Ich habe dreißig Euro auf meinem Sparbuch. Die könnte ich Ihnen geben.«
Hella van Achtern schaut mich einfach nur an. Sie braucht nichts zu sagen. Ich kann die Antwort in ihren erloschenen Augen lesen. Jonny Ponys
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ist so tot wie ein Vampir, dem man einen Pflock durchs Herz getrieben hat.
5. Kapitel
Totgesagte leben länger
Ein paar Monate liegt das jetzt schon zurück. Mittlerweile ist Winter. Es ist frostig geworden in unserer kleinen Stadt. Das liegt aber nicht nur an den gesunkenen Temperaturen. Die ganze Stadt ist sauer auf mich, weil ich angeblich schuld daran bin, dass aus dem Kaff kein zweites Hollywood geworden ist.
Als klar war, dass das Projekt
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gestorben ist, haben die Filmleute ihre Sachen gepackt und sind Hals über Kopf abgereist. Mama hat die ganze Nacht genäht, um Neil Armstrongs Raumanzug zu flicken, bevor er wieder in die USA zurückgeschickt wurde. Das hat sie super hingekriegt. Von dem Loch hat man kaum etwas gesehen, und es wäre sogar noch ein bisschen besser geworden, wenn sie dafür nicht das rosafarbene Nähgarn genommen hätte. Falls ihr mal in Washington seid, schaut einfach im Museum für Luft- und Raumfahrt vorbei. Dann wisst ihr, was ich meine.
Seit Jonny Pony und Hella van Achtern fort sind, ist es in unserem Städtchen wieder ruhig geworden. An die Dreharbeiten erinnert nur noch der silberne Sand, der sich in den Ritzen zwischen den Bürgersteigplatten festgesetzt hat. Trotzdem hat sich einiges verändert, und damit meine ich nicht nur den aktuellen Börsenkurs für meine Haare, der ins Bodenlose gefallen ist. Das gilt allerdings nur für einzelne Locken. Für meinen kompletten Skalp wären einige Leute bereit, enorme Summen auf den Tisch zu blättern.
Zuerst das Positive.
Drei Menschen, die mir für den Stopp der Dreharbeiten dankbar sind:
1) Der Zeitungsreporter, weil ich ihm eine tolle neue Überschrift geliefert habe: »Dümmster Filmstar aller Zeiten: Hauptdarsteller löscht Kinofilm von Festplatte«.
2) Alex und Justin, weil sie mit meinen Haaren sowieso schon ein kleines Vermögen gemacht haben und bei längeren Dreharbeiten in Lieferschwierigkeiten gekommen wären.
3) Mein Vater, weil Jonny Pony endlich zurück nach Berlin gefahren ist.
Und nun das Negative.
Vier Menschen, die mich seitdem abgrundtief hassen:
1) Hella van Achtern, weil sie nach dem Abbruch der Dreharbeiten mit ihrer Produktionsfirma Konkurs anmelden musste.
2) Jonny Pony, weil ich ihm seine Chancen auf den Oscar zerstört habe. Dabei war er ganz nah dran. Glaubt er.
3) Anti, weil sie am Tag nach dem Computerabsturz ihren ersten Drehtag gehabt hätte.
4) Lena, weil ... egal, sie hat
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