Coolman und ich. Ganz großes Kino (German Edition)
mich vorher ja auch schon gehasst.
Ich hatte keine Ahnung, wie wichtig Lena diese Rolle war. Sie hat tatsächlich davon geträumt, berühmt zu werden, und sich sogar schon Autogrammkarten drucken lassen. Der Karton mit ihren signierten Fotos lag neben der Altpapiertonne vor ihrem Haus. Zwei Wochen lang habe ich jede freie Minute dort gewartet, weil ich mich entschuldigen wollte. Sie ist aber nicht rausgekommen.
Dass mich die anderen drei auf der Liste hassen, ist mir völlig egal.
Bei Lena nicht.
»Jungchen, vergiss die Kleine! Andere Mütter haben auch schöne Töchter«, versucht Adolf Schmitz mich zu trösten.
Hab ich euch schon von Adolf Schmitz erzählt? Er ist ein alter Freund von mir und das »alt« kann man ruhig wörtlich nehmen. Adolf Schmitz hört nicht mehr so gut und lebt in einem Seniorenheim mit dem zuversichtlichen Namen Das letzte Bett.
Ein Besuch bei Adolf Schmitz ist gefährlich. Der offizielle Weg zu seinem Zimmer führt durch das Foyer des Altenheims. Dort lauern scheintote alte Damen und tun so, als ob sie ein Nickerchen machen. In Wahrheit warten sie nur darauf, sich auf dich zu stürzen und auf ihren Schoß zu zerren.
Deswegen laufe ich lieber über den Rasen und steige durch das Flurfenster ein. Im Gras hatte sich von meinen Besuchen schon ein Trampelpfad gebildet. Jetzt ist da ein richtiger Weg. Adolf Schmitz hat den Pfad über Nacht extra für mich gepflastert, damit ich im Winter nicht durch den Matsch stapfen muss.
Adolf Schmitz ist für mich so etwas wie ein Ersatzopa. Weil ich meinen echten ja nie kennengelernt habe.
»Dann fahr doch nach Berlin und besuch ihn, Jungchen«, schlägt Adolf Schmitz mir vor.
Wir zwei verstehen uns oft ganz ohne Worte. Das liegt daran, dass er auch einen unsichtbaren Begleiter hat. Seiner heißt SUPERWILHELM.
Da habe ich mit COOLMAN fast sogar noch Glück gehabt. Ich wäre längst wahnsinnig, wenn in meinem Kopf ständig Marschmusik scheppern würde und dazu tausend Stiefel und mehr zwischen meinem rechten und linken Ohr hin- und herparadieren.
»Im Ernst, Jungchen, warum besuchst du deinen Opa nicht einfach, wenn du ihn unbedingt kennenlernen willst?«, wiederholt Adolf Schmitz.
Er sitzt in seinem blauen Bademantel vor einem Modell der Zugspitze, das er aus 764 233 Zahnstochern gebaut hat – ganz ohne Kleber, darauf ist er besonders stolz. Damit hat er angefangen, als die Dreharbeiten liefen und ich nicht mehr so viel Zeit hatte, ihn zu besuchen. Jetzt ist er fast fertig und es fehlt nur noch das Gipfelkreuz.
»Ich kann doch nicht einfach so nach Berlin fahren. So ganz allein!«, antworte ich.
»Ich war auch nicht viel älter als du, als ich damals von zu Hause weg bin, um zur See zu fahren, Jungchen. Aber ihr junges Gemüse habt ja keinen Mumm mehr in den Knochen«, erklärt Adolf Schmitz und nimmt mit einer Pinzette einen weiteren Zahnstocher, um ihn an der richtigen Stelle in seinem Modell einzubauen.
Schon bei dem Gedanken daran wird mir übel. Mit Schiffen habe ich in letzter Zeit keine guten Erfahrungen gemacht. Ich brauche dringend frische Luft. Vorsichtig schiebe ich mich an dem Tisch vorbei. Ich will auf keinen Fall dagegenstoßen und schuld sein, wenn die Zugspitze in sich zusammenfällt und die Arbeit von Monaten vernichtet wird.
Ich öffne das Fenster. Die frische Luft tut gut, und ich kann wirklich nichts dafür, dass genau in dem Augenblick eine der Altenpflegerinnen mit dem Abendessen hereinkommt. Der Durchzug, der entsteht, als die Tür aufgeht, fegt die 764 234 Zahnstocher auf den grauen Teppichboden.
Da das Fenster sowieso schon offen steht, nehme ich die Einladung dankend an und verschwinde, ehe Adolf Schmitz und SUPERWILHELM realisiert haben, was da gerade passiert ist. Zum Glück sind die beiden nicht nachtragend. In ein oder zwei Jahren kann ich mich wieder bei ihnen blicken lassen. Bis dahin werde ich auf meinen Ersatzopa verzichten müssen.
Als ich nach Hause komme, liegt ein Brief für mich auf dem Küchentisch.
Ich schaue mir den Absender an. Der Brief ist von Jonny Pony. Wahrscheinlich hat COOLMAN recht und in dem Umschlag steckt eine Schadensersatzklage gegen mich. In der Küchenschublade krame ich nach einem Feuerzeug, um das Schreiben zu verbrennen, bevor es meinen Eltern in die Finger fällt.
Mit dem Brief und dem Feuerzeug in der Hand gehe ich rüber zur Spüle.
Mit spitzen Fingern halte ich den Brief über die Flamme, als das Telefon klingelt.
Ich lasse das Feuerzeug fallen und angle mit der
Weitere Kostenlose Bücher