Coolman und ich (German Edition)
nur noch ein paar Blumenstängel blütenlos nackt aus dem Boden.
In ihrem schwarzen Regenmantel schlurft sie neben mir über den Bürgersteig. Ihren Oberkörper beugt sie beim Gehen exakt um 45 Grad nach vorne, damit ihr die Haare auch beim Laufen wie ein Vorhang vors Gesicht fallen.
Keine Sorge,
Coolman
kommt schon wieder auf die Beine. Er ist so eine Art Stehaufmännchen. Was mir Sorgen macht, ist Antis Party.
»Versprich mir, dass du höchstens zwei Leute einlädst, wenn Mama und Papa weg sind«, flehe ich sie an.
Aber das hätte ich mir auch sparen können. Anti hört mich sowieso nicht, weil sie sich ihre Ohren mit ihren Kopfhörern zugestöpselt hat. Bei jedem Drum schwingen ihre Haare nach außen, als wäre sie eine Krähe, die mit den Flügeln flattert. Leider ist sie keine Krähe, sonst kämen wir schneller voran.
Aber das wäre auch wieder blöd, weil an der Straßenecke vor uns die beiden Jungs herumlungern, die mir heute Mittag die Abfahrt in dem Container spendiert haben. Wenn wir langsam genug laufen, sind die zwei vielleicht schon verschwunden, wenn wir die Kreuzung erreichen. Sind sie aber nicht. Es sieht sogar fast so aus, als würden sie auf mich warten. Na prima, jetzt habe ich außer
Coolman
noch zwei weitere Nervensägen, die mich überallhin verfolgen. Prächtige Aussichten!
Ehe ich mich für einen von
Coolman
s Vorschlägen entscheiden kann, haben sich die beiden mir auch schon in den Weg gestellt. Sie blockieren den ganzen Bürgersteig, sodass ich nicht an ihnen vorbeikann, ohne sie anzurempeln. Aber darauf warten sie ja nur. Deswegen bleibe ich einfach vor ihnen stehen. Auch Anti hält an, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Haare aus dem Gesicht zu streichen, um nachzusehen, wer oder was uns da aufhält.
»Hey, Alter, ist das nicht der kleine Mülleimer-Schumi?!«, ruft einer der beiden.
»Ohne die Joghurtbecher hätte ich ihn fast gar nicht erkannt, echt«, ergänzt der andere und gibt mir mit seiner Faust einen Stoß gegen die Schulter, sodass ich ein paar Schritte nach hinten taumele.
Anti hat ihren iPod ausgeschaltet. Das kann ich aus den Augenwinkeln erkennen, weil ihre Haare jetzt glatt und ruhig über den Ohren liegen.
Dann geht plötzlich alles ganz schnell. Anti schnappt sich zuerst den kleineren der beiden und setzt ihn mit einem Karateschlag außer Gefecht. Er geht sofort zu Boden. Den anderen befördert sie mit einem Judogriff auf den Asphalt. Verwirrt und verängstigt liegen die zwei vor uns auf dem Bürgersteig und haben immer noch nicht kapiert, was da gerade mit ihnen passiert ist.
Es gibt nicht so wahnsinnig viele Momente, in denen ich Grund habe, auf meine Schwester stolz zu sein. Dies ist so einer, und ich werde ihn in goldener Erinnerung behalten, bis ich alt und grau bin. Seit sie sechs ist, hat Anti so ziemlich alle Kampfsportarten trainiert, die es überhaupt gibt auf der Welt: Judo, Karate, Kung-Fu, Taekwondo, Jiu-Jitsu … einfach alle.
Und warum? Nicht etwa, um sich nachts in dunklen Gassen gegen irgendwelche Unholde verteidigen zu können. Nein, sondern weil sie die schwarzen Gürtel so schick findet.
»Hört gut zu, ihr miesen kleinen Kakerlaken«, zischt Anti hinter ihrem Haarvorhang. »Ihr lasst meinen kleinen Bruder in Zukunft in Frieden, verstanden?«
Die Jungs nicken nur und starren eingeschüchtert hoch zu der schwarzen Ninja-Kämpferin, deren Augen sie nicht sehen können.
»Wie heißt ihr?«, fragt Anti.
»Alex«, flüstert der eine.
»Justin«, wispert der andere.
»Wollt ihr Kais Freunde werden?« Aus Antis Mund klingt das nicht wie eine Frage, sondern wie ein Befehl.
»Klar«, heuchelt Alex.
»Unbedingt«, ergänzt Justin.
»Nichts, was wir lieber täten.«
»Echt!«
»Wirklich wahr, Alter!«
»Okay, dann kommt morgen Abend zu unserer Party. Und bringt ruhig noch ein paar Kumpel mit«, verkündet Anti großzügig.
Anti packt mich am Ärmel und zieht mich weiter.
»Warum hast du die Idioten eingeladen?«, frage ich, als ich sicher bin, dass Alex und Justin mich nicht mehr hören können.
»Warum soll ich sie nicht einladen, wenn sie deine Freunde sein wollen?«, fragt Anti zurück.
»Ich will aber nicht der Freund von zwei Idioten sein!«, rufe ich.
Doch das hört Anti schon nicht mehr, weil sie ihren iPod wieder auf volle Lautstärke gestellt hat. Ich kann das sehen, weil ihre Haare wieder rhythmisch im Takt auf und ab flattern.
Das Theater sieht aus wie ein griechischer Tempel und ist mindestens fünf Nummern zu groß
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