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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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größer. Und alt, wie ein Opa. Oben auf dem Kopf hat er keine Haare mehr, da kann man seine Haut glänzen sehen. Und seine Nase … an seiner Nase sind lauter aufgeplatzte Adern und … Oh Gott, er kommt! Daddy, er kommt!«
    Ian ringt um Atem. Er muss schlucken, um überhaupt etwas herauszubringen. »Was hast du an?«
    »Was? Er kommt!«
    »Maggie, was hast du an?«
    »Ein … ein Kleid, ein blaues Kleid mit rosa Blumen drauf!«
    »Weißt du, wie der Mann heißt?«
    »Er heißt H…«
    Weiter kommt sie nicht. Ian hört nur noch ihren Schrei.
    Am anderen Ende kracht der Hörer gegen irgendetwas, anscheinend schwingt er an der Schnur. Noch ein Krachen, und noch eins, und so weiter, wie Trommelschläge, die in immer kürzeren Abständen ausklingen. Bis kein weiterer Schlag mehr folgt, bis sich die Stille ins Unendliche dehnt. Nichts als leerer Raum.
    Wäre die Tür nicht offen gewesen, wäre Maggie nicht geflohen.
    Sie hätte es nicht mal versucht. Nach Jahren der Gefangenschaft ist ihre Hoffnung erkaltet. Maggie spürt sie nicht, schon lange nicht mehr. Gut möglich, dass sie gar nicht mehr da ist. Oder doch? Ja, vielleicht existiert die Hoffnung noch, als kleiner Schimmer.
    Egal ob Tag oder Nacht, sie ist immer hier unten. Sie ist am Leben, aber unter der Erde. Begraben, gefangen zwischen den Betonwänden des Kellers, im Albtraumland. So hat sie diesen modrig stinkenden Ort getauft. Sie ist allein mit den lebendigen Schatten, allein mit ihren Gedanken.
    Aber nicht immer. Manchmal ist Borden bei ihr. Sie hat ihn damals erst nach ein paar Tagen entdeckt, er hatte sich in den Schatten versteckt. Ein kleiner, dünner Junge in Chucks, Levis und einem roten, zugeknöpften Hemd, das er immer in die Hose steckt. Aber sein Gesicht ist kein normales Jungengesicht. Vom Haaransatz bis zur Schnauze ist es von glänzendem braunem Fell bedeckt. Er hat schwarz schimmernde Pferdeaugen und aufgeblähte Nüstern und riesige, rechteckige Zähne. Am Anfang hat sie sich vor ihm gefürchtet, aber ihre Einsamkeit war größer als ihre Angst. Jetzt ist er ihr bester, ihr einziger Freund.
    Er hat ihr nie gesagt, wie er hierhergekommen ist. Außer Maggie weiß niemand, dass er bei ihr ist. Sobald oben die Tür aufgeht, sobald die ersten Schritte auf der Holztreppe knarren, versteckt er sich. Maggie versteckt sich nicht. Es würde nichts bringen. Sie wissen, dass sie hier ist, sie haben sie hergebracht, an diesen schrecklichen Ort. Es ist ein winziger Ort, abgeschnitten vom Rest der Welt, getrennt vom blauen Himmel, von den Bäumen und den Wiesen und den Freundinnen, mit denen sie früher gespielt hat.
    Ihr einziger Zugang zur Außenwelt ist ein Fenster. Würde sie die Außenwelt nicht durch diese rechteckige Öffnung sehen, hätte sie schon vergessen, dass es noch etwas anderes als den Keller gibt. Aber sie kann nur gucken. Denn das Fenster ist zu klein, nicht mal eine Katze könnte sich hindurchzwängen. Dafür scheint morgens die warme, helle Sonne auf Maggies Haut. Kurz nach Mittag legen sich Schatten auf den Boden, sie werden immer länger, je später es wird, aber der Morgen gehört ihr.
    Leider wuchert Unkraut draußen vor dem Fenster, und Dreckspritzer überziehen die Scheibe. Maggies größte Angst ist, das Unkraut könnte eines Tages so dicht werden, dass sie überhaupt nichts mehr sieht. Dass sie sich nicht mehr in den hellen Schein stellen kann, der die Dunkelheit jeden Tag für einen halben Tag zerteilt. Das heißt, nicht jeden Tag. Wenn es sehr wolkig ist, dringt nur ein fahles graues Leuchten in den Keller, das sie irgendwie immer an eine Erkältung denken lässt. Aber jetzt ist Sommer, der Himmel ist blau und das Licht strahlend hell.
    Das war es zumindest.
    Denn mittlerweile ist es Nachmittag. Die Sonne scheint zwar noch, aber sie ist auf die andere Seite des Hauses gewandert, und bald wird sie wieder am Horizont versinken.
    Aber wenn das Licht in den Keller fällt, stellt sich Maggie mitten hinein. So lang wie möglich. Sie geht mit, während sich der helle Fleck langsam über den Boden schiebt. Doch jetzt ist die Sonne verschwunden, und sie sitzt auf ihrer Matratze in der Ecke, die Knie angewinkelt, die Arme um die Beine geschlungen. Neben ihr liegt ein Buch. Donald bringt ihr ab und zu Bücher, und manchmal gibt er ihr sogar Unterricht, aber im Moment hat sie keine Lust auf Lesen.
    »Borden?«, fragt sie flüsternd in die Schatten. Keine Antwort.
    Dann muss sie eben zählen. Eins zwei drei vier fünf sechs sieben acht.

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