Copy
schmolz? Dem Bericht von Alberts Grauem hatte ich entnommen, dass es Irene mit dem Inload sehr ernst war.
»Versuchen wir es hinten«, schlug Palloid vor, der wieder auf meiner Schulter saß. »Der Graue berichtete, dass sich der Schwarm dort um seine Königin kümmert.«
Die Queen. Ich habe natürlich von solchen Dingen gehört. Es erscheint mir trotzdem… grausig. Schwärme und Königinnen, meine Güte. Manche Leute sagen, dass uns die Logik der Dito-Technik schließlich alle dorthin führen wird.
Interessante Zeiten.
»In Ordnung«, erwiderte ich. »Sehen wir uns am Hintereingang um.«
SEELEN AUF ZELLULOID
… ODER WIE REALALBERT EINE OASE DES HERZENS FINDET…
Ritu und ich sahen ziemlich mitgenommen aus, nachdem wir eine lange Nacht und einen Morgen durch die Wüste unterwegs gewesen waren.
Man sollte meinen, dass unsere Grauen-Tarnung mehr als nur ein wenig »mitgenommen« wirkte, aber zum Glück verstopft gutes Make-up nicht die Poren. Sie behindert das Schwitzen nicht, sondern leitet den Schweiß ab und maximiert den kühlenden Effekt des vorbeistreichenden Winds. Schmutz und Salzkristalle arbeiten sich ihren Weg nach draußen. Es heißt, derartiges Make-up hält einen kühler und sauberer als entblößte Haut.
Das ist alles gut und schön, wenn man genug zu trinken hat. Was zweimal zu einem Problem wurde während des langen Wegs nach Süden von der Schlucht aus, in die der Volvo, gestürzt war. Wenn das Wasser in dem Plastikbehälter knapp wurde, während sich um uns herum eine große Leere erstreckte, ohne Anzeichen menschlicher Zivilisation, fragte ich mich, ob der Marsch wirklich eine gute Idee gewesen war.
Doch so öde und leer sie auch wirken mochte, die Wüste ist heute nicht mehr das, was sie einst für unsere Vorfahren war. Immer dann, wenn das Wasser zur Neige ging, fanden wir etwas. Einmal stießen wir auf verlassene Squatter-Hütten, die mehr als hundert Jahre alt waren und auf einfachen Betonplatten ruhten, mit verrosteten Wellblechdächern. In einer lag ein dicker, zotteliger Teppich, so voller Staub, dass sich darin ein eigenes Ökosystem entwickelt hatte. Die Leitungen der Hütte waren verstopft, und an einer Stelle hatte sich schmutziges Regenwasser gesammelt, das zwar unappetitlich aussah, uns aber dennoch willkommen war. Bei einer anderen Gelegenheit fand Ritu eine Tropfwasserlache in einem alten Bergwerksschacht. Es behagte mir nicht sonderlich, die Brühe voller gelöster Mineralien zu trinken, aber moderne Chelatierungsbehandlungen sollten alle Toxine eliminieren. Vorausgesetzt natürlich, wir fanden rechtzeitig zur Zivilisation zurück.
Unser Marsch war also ein Abenteuer – oft äußerst unangenehm –, aber es ging nie um Leben oder Tod. Mehrmals bemerkten wir in der Ferne ein Glitzern: Sonnenschein, der von einer automatischen Wetterstation oder dem Gehäuse einer Öko-Webcam reflektiert wurde. Wir hatten also immer die Möglichkeit, Hilfe zu rufen, falls wir in ernste Schwierigkeiten geraten sollten. Es gab gute Gründe für uns, nicht um Hilfe zu rufen. Die Entscheidung lag bei uns, und das machte alles erträglicher.
Während wir wanderten, fanden Ritu und ich genug Kraft, unser Gespräch über Dramen und Parasensies fortzusetzen, die wir gesehen hatten. Ein Klischee findet sich darin immer wieder: Ein Duplikat gibt sich als Original aus und behauptet, ein Schwindler hätte sein normales Leben übernommen. Wir hatten beide Rot wie ich gesehen, das Dokudrama über eine Frau, die aufgrund einer Hautkrankheit für die meisten Leute unreal aussah und deshalb immer wieder wie ein Golem behandelt wurde. Wir alle finden uns damit ab, oft »nur Dinge« zu sein, denn es gleicht sich alles aus, nicht wahr? Doch dieser Frau blieb die Rolle des Originals verwehrt. Die Geschichte erinnerte mich an Pal, der an seinen Lebenserhaltungsstuhl gefesselt war und nur mithilfe von Ditos die Welt erkunden konnte. Auch das moderne Leben ist nicht immer fair.
Ich erfuhr, warum Ritu als Realperson mitgekommen war, anstatt einen Grauen zu schicken. Auch sie hat ein Handikap: Sie kann keine zuverlässigen Kopien herstellen. Oft stellen sie sich als falsch heraus.
Na schön, Millionen von Menschen können keine Kilns verwenden und müssen die Nachteile eines einzigen, linearen Lebens hinnehmen. Bigotte nennen sie »seelenlos« und glauben, die Betreffenden besäßen keine richtige Stehende Welle fürs Kopieren. Dieser vererbbare Defekt kann zu Problemen dabei führen, einen Job oder
Weitere Kostenlose Bücher