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Copy

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Titel: Copy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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solches Gefühl kann man in seinem ganzen Ausmaß nur im realen Körper mit der ursprünglichen Seele haben, mit dem gleichen Nervensystem, das auf Schemen in der Dunkelheit reagierte wie ein Sechsjähriger.
    »Äh… kenne ich dich?«, fragte ich.
    »Sie kennen mich nicht so gut wie… ich Sie…«
    Ich steckte die Waffe ein, lief los, sprang, griff nach der oberen Kante des Recyclingtanks und zog mich hoch. Kein Schweiß. Eine unserer wichtigsten täglichen Aufgaben – wenn man feststellt, dass man die Realperson ist – besteht darin, den alten Körper in Form zu halten.
    Ich stand auf dem Deckel und war den Dämpfen dadurch ein ganzes Stück näher – ihr Duft erscheint attraktiv, wenn man ein Golem in seiner letzten Stunde ist. Als organisches Individuum fand ich ihn ekelhaft. Durch zerrissenes Plastik sah ich ein Gesicht, das infolge von Peptidermüdung und Zerfall zusammensackte. Wangen und Stirn gaben nach, und ihr helles Bananengelb bekam etwas Fahles. Trotzdem erkannte ich eine der Tarnungen, die Beta bevorzugt verwendete.
    »Offenbar steckst du fest«, sagte ich und sah genauer hin. War es einer der Gelben, die mich in der vergangenen Nacht gequält hatten, als ich ein gefangener Grüner gewesen war? Hatte dieser auf dem Odeonplatz Steine nach mir geschleudert? Offenbar war er bei der Aktion von Blanes Violetten nach oben entkommen und dann in den Schlauch gesprungen, in der falschen Hoffnung, auf diese Weise zu entwischen.
    Ich erinnerte mich insbesondere an einen gelben Beta, der anzüglich grinste, als er geschickt die Schmerzrezeptoren stimulierte, die selbst meine Grünen realistisch finden. (Ein guter Kopierer hat auch seine Nachteile.) Ich weiß noch, dass ich mich fragte: Warum? Was hoffte er mit Folter zu erreichen? Die Hälfte der Fragen, die er stellte, ergaben nicht einmal einen Sinn!
    Eine tiefe Gewissheit hatte mir dabei geholfen, den Schmerz zu ignorieren. Es spielt keine Rolle, hatte ich mir während der Gefangenschaft in der vergangenen Nacht immer wieder gesagt. Und es spielte tatsächlich keine Rolle. Zumindest keine große.
    Warum also sollte ich mit diesem Golem Mitleid haben?
    »Bin schon lange hier«, sagte er. »Bin hierher gekommen, um herauszufinden, warum es keinen Kontakt von diesem Geschäft gab…«
    »Lange?« Ich sah auf die Uhr. Weniger als eine Stunde war seit dem Angriff von Blanes Violetten vergangen.
    »… fand heraus, dass es übernommen war, wie die anderen! Sie haben mich gejagt… bin in diesen Schlauch geklettert… habe den Zugang oben geschlossen… dachte mir…«
    »Moment mal! ›Übernommen‹, sagst du? Damit meinst du die Sache von heute Morgen, nicht wahr? Unsere Aktion…«
    Das Gesicht löste sich immer mehr auf. Die aus dem Mund kommenden Geräusche waren schwerer und schwerer zu verstehen. Sie klangen weniger nach Worten und mehr nach einem gurgelnden Röcheln.
    »Zuerst dachte ich… dass Sie vielleicht dafür verantwortlich sind. Nachdem Sie mich jahrelang gejagt haben… Aber jetzt weiß ich… dass Sie keine Ahnung haben… wie üblich… Morrissss.«
    Ich stand da, atmete abscheuliche Dämpfe ein und musste mich beleidigen lassen. »Ob ahnungslos oder nicht, ich habe deinen Laden hochgehen lassen. Und ich werde weitere schließen…«
    »Zu spät!« Der Gelbe lachte bitter, und es klang nach einem Hustenanfall. »Sie sind bereits übernommen… von…«
    Ich trat näher und würgte fast, als mir der Fäulnisgeruch aus den Rissen der Golemhaut entgegenschlug. Er musste seinen Ablauf um Stunden überschritten haben, hielt sich nur noch mit reiner Willenskraft zusammen.
    »Übernommen? Von wem? Einem anderen Copyright-Gangster? Nenn mir einen Namen!«
    Der Dito grinste, und dadurch platzte sein Gesicht. Gelbe Pseudohautlappen lösten sich, und unter ihnen kam der Keramikschädel zum Vorschein.
    »Gehen Sie zu Alpha… Sagen Sie Betzalel, es soll den Emet schützen!«
    »Was? Zu wem soll ich gehen?«
    »Zur Quelle! Sagen Sie Ri…«
    Mehr brachte der Golem nicht hervor. Irgendetwas riss. Eines von Betas Beinen, vermute ich. Die Selbstgefälligkeit verschwand aus dem aufgerissenen Gesicht und wich jäher Furcht. Für einen Moment glaubte ich, die Stehende Welle der Seele in Betas trüben Tonaugen zu sehen.
    Der Dito stöhnte, rutschte nach unten…
    Es platschte, und mehr Dämpfe kamen aus dem Behälter. Ich murmelte einen letzten Gruß…
    »Tschüs.«
    … und sprang auf die Straße. Was ich derzeit wirklich nicht brauchte, war eines von Betas

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