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Graue brauche ich nur dann, wenn sich etwas ergibt.
Hinter den Recyclingbehältern gab es eine Lücke zwischen den Gebäuden: Eine schmale Seitenstraße führte dort nach Süden, vorbei an den Auffahrten eines alten Parkhauses. Über der Straße spannten sich Kabel und Wäscheleinen, an denen billige Kleidung im Morgenwind flatterte. Laute Stimmen und noch lautere Musik wehten die wackligen Feuerleitern herab.
Heutzutage braucht jeder ein Hobby. Für manche Leute ist es ein zweites Leben – sie schicken einen Dito für einen Tag hierher nach Golemstadt, gesellen sich simulierten Familien hinzu, nehmen an Pseudo-Geschäften, -Dramen und auch -Fehden mit den Nachbarn teil. Ich glaube, man spricht in diesem Zusammenhang von Tonopern. Ganze verfallene Stadtviertel sind übernommen worden, um dort das Italien während der Renaissance oder London während der Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs zu simulieren. Als ich in der Gasse stand, unter den Wäscheleinen und von lauter Musik berieselt, konnte ich mir leicht vorstellen, in einem der Mietskasernenghettos zu sein, wie sie vor über hundert Jahren existierten.
Die romantische Attraktion eines solchen Szenarios blieb mir ein Rätsel. Realpersonen leben nicht mehr auf diese Weise. Andererseits stand es mir nicht zu, darüber zu befinden, wie andere Menschen ihre freie Zeit verbringen. Hinter der Existenz eines Golems steckt immer eine bewusste Entscheidung.
Fast immer.
Deshalb setzte ich die Arbeit am Fall Beta fort, trotz des Ärgers und der Prügel, die ich einstecken musste – und obwohl ich manchmal auf Nimmerwiedersehen verschwand. Betas Art des industriellen Diebstahls hatte viel mit der einstigen Sklaverei gemeinsam. Seinen kriminellen Geschäften liegt eine beunruhigende Psychopathologie zugrunde. Der Bursche brauchte Hilfe.
Na schön, in Dito-Stadt gibt es also viele exzentrische Ecken, von Dickens-Fabriken über märchenhafte Vergnügungszentren bis hin zu Kriegsgebieten. Konnten mir die besonderen Merkmale dieser Seitenstraße bei meinem Fall helfen? Schon vor dem Einsatz heute Morgen war dieser Bereich von Flugaugen der LSA untersucht worden. Doch menschliche Augen sehen manchmal mehr als Kameras. Zum Beispiel Kugelspuren an den Wänden. Die noch nicht sehr alt waren. Abgesplitterter Mörtel fühlte sich frisch an zwischen meinen Fingerspitzen.
Und? Das ist wohl kaum ungewöhnlich in Dito-Stadt. Ich mag keine Zufälle, aber derzeit ging es mir vor allem darum, mit Blane alles zu klären und dann nach Hause zu gehen.
Ich kehrte um, erreichte wieder die Straße zwischen den großen Recyclingbehältern und verharrte, als ich ein leises Zischen hörte.
Es kam von oben und klang nach meinem Namen.
Ich trat rasch zur Seite, griff unter meine Jacke und sah empor.
Ein zweites leises Zischen lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen der Ziehharmonikaschläuche, der von den oberen Stockwerken des Teller-Gebäudes zu einem Behälter führte. In seinem halb durchsichtigen Innern zeichnete sich eine Silhouette ab, wand sich hin und her und zog an einem kleinen Riss im Schlauch. Die Gestalt hatte die Beine gespreizt, um nicht die letzten beiden Meter in den Recyclingbehälter zu fallen.
Ihre Bemühungen waren natürlich vergeblich. Ätzende Dämpfe würden den Rest des Pseudolebens, das noch in dem armen Burschen steckte, schnell verschlingen. Und wenn nicht… Der nächste Dito, der in den Schlauch sprang, landete sicher mit genug Wucht auf diesem Duplikat, um es in die Recyclingsuppe zu stoßen.
Nun, so etwas geschieht gelegentlich, insbesondere bei Jugendlichen, die sich noch nicht an den neuen sekundären Zyklus des Lebens aus beiläufigem Tod und trivialer Wiedergeburt gewöhnt haben. Manchmal geraten sie in Panik, wenn das Recycling ansteht. Das ist natürlich. Wenn man Erinnerungen prägt und seine Seele in eine Tonpuppe kopiert, so nimmt man viel mehr mit als nur eine Liste der an diesem Tag zu erledigenden Dinge. Kopiert werden auch Überlebensinstinkte, die aus der langen Ära stammen, als Menschen nur einen Tod kannten – den endgültigen.
Es läuft alles auf Persönlichkeit hinaus. In der Schule wird darauf hingewiesen: Man stelle nur dann Ditos her, wenn man loslassen kann.
Ich hob meine Waffe.
»He, Kumpel, möchtest du, dass ich dich von deinem Leid er…«
Ich unterbrach mich, als ich es erneut hörte. Ein einzelnes geflüstertes Wort.
»Mo-o-r-r-r-isssss!«
Ich blinzelte mehrmals und spürte, wie es mir kalt über den Rücken lief. Ein
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