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ich wirklich zu hassen begann. Ich wand mich hin und her, trat und schlug, als mich der Bursche von der großen Schleuse forttrug, an der kalten Front der Kühler vorbei. Als meine Hand über ein lumineszierendes Band strich, griff ich aus einem Reflex heraus zu, zerrte und riss etwas aus seiner Verankerung.
Mit sofortigen Folgen! Aus dem matten weißen Licht wurde das rote eines Alarms. Sirenen erklangen.
»Jetzt ist es passiert«, brummte ein Beta.
»Wir nehmen ihn mit«, sagte der mich tragende Golem, bückte sich durch die Öffnung in der Metallwand und behandelte mich so wie ein Stück Fleisch. Wenige Sekunden später liefen wir durch den Tunnel, mit der Kraft keramischer Muskeln, die sich in der Nähe meiner Haut unangenehm warm anfühlten, insbesondere nach dem Aufenthalt im kühlen Lagerraum. Ich beobachtete, wie Steinwände vorbeihuschten, nur wenige Zentimeter vor meinen Augen. Meine Desorientierung wuchs wie bei einem Fieber.
War ich bereits mit einer schnellen Krankheit infiziert? Vermutlich litt ich nur an der Bewegungskrankheit, verstärkt von Hoffnungslosigkeit und übereifriger Imagination. Aber eine Garantie dafür gab es nicht…
Im Haupttunnel begegneten wir einem Schwarm anderer Kampf-Golems. Der Beta, der mich trug, wandte sich nach links, in Richtung der verborgenen Bastion von Yosil Maharal – das vermutete ich jedenfalls. Ich sah Ritu in ihrer Mitte, strenger bewacht als zuvor. Ihre Augen waren glasig, und sie wirkte in sich selbst zurückgezogen inmitten jener Geschöpfe, die sie geprägt hatte: riesige, erschreckende Puppen, angetrieben durch einen Teil von ihr, den sie verachtete.
Die Kampfgeräusche waren näher, ließen aber langsam nach. Offenbar erledigte die herangeführte Verstärkung gerade Yosils letzte Verteidigungspositionen.
Doch bevor wir die Front erreichten, ertönten hinter uns Rufe und dann das Krachen von Explosionen. Ich sah, wie sich die nahen Betas besorgt berieten. Einige drehten sich um und gingen in Stellung, um der neuen Gefahr zu begegnen. Die anderen setzten den Weg mit Ritu und mir fort.
Offenbar steckte unsere kleine Einsatzgruppe in der Klemme: Feinde nicht nur vor uns, sondern auch hinter uns.
Großartig, dachte ich und gab mich dem Fieber hin, oder der Schwermut.
Die Reisenetze sollten besser nichts von diesem lieblichen Ort erfahren. Sonst wollen alle Maso-Touristen der Welt hierher kommen.
SEELENLANDSCHAFT
… ALS GRAU UND ROT GEMEINSAM EINEN REGENBOGEN ERFORSCHEN…
Wer sagt, dass Yosil der Reiter sein soll?
Sein irrer Geist faselt weiter und versucht, sich mit aufgeblasenen Prahlereien davon zu überzeugen, noch immer die Kontrolle zu haben. Ich höre nicht mehr zu. Der arme alte Dit-Yosil hat keine Ahnung, dass mit seinem Plan etwas schief gegangen ist.
Der Glazier hat den erbärmlichen Ditektiv verstärkt, der auf dem Kaolin-Anwesen in Gefangenschaft geriet. Zahllose Boson-Duplikate vereinen sich wie Tropfen zu einer mächtigen Welle. Das ist alles, was ich sein soll, eine einfache Trägerwelle, ohne Ich.
Aber hier bin ich! Ich spähe in neue Dimensionen und lerne schnell.
ZUM BEISPIEL HABE ICH MICH mit den »Echos« befasst, die mir zuvor aufgefallen sind. Es handelt sich um andere Menschen. Ich beobachte, wie sie in einer undefinierbaren Distanz nervös flackern.
Hier brennt eins mit einem bitteren Beigeschmack, der mich an Zorn erinnert. Dort schimmert eine Flamme mit der sauren Farbe von Bedauern. So etwas wie schmerzvolle Isolation scheint ein gemeinsames Merkmal zu sein: jedes Flackern ein einsamer Außenposten, allein, abgeschnitten, nur ein Funken in einer öden Ebene.
Selbst als ich einen Haufen aus Millionen entdecke – eine nahe Stadt? –, das Hauptmerkmal dieser Sphäre sind Melancholie und Spärlichkeit. Stadtlandschaften scheinen immer voller Körper aus Fleisch und Ton zu sein, ausgestattet mit Kleidung, Werkzeugen und forschen Stimmen. Aber wenn man sie hier sieht, das Unwichtige von ihrem Kern getrennt, begreift man, dass einige Millionen Seelen fast gar nichts sind, wie einzelne, weit verstreute Grashalme, die verzweifelt versuchen, ein Rasen zu sein.
Nein, sie sind sogar noch weniger. Man stelle sich kleine Algenstränge an einer kahlen Küste vor, wie sie gerade nur den Rand eines enormen, leeren Kontinents berühren. Kein angenehmer Anblick des menschlichen Zustands. Doch ich finde dieses düstere Panorama faszinierend. Denn ich kann die »Echos« berühren.
EIN TEIL VON MIR fühlt sich
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