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dann nicht eine ganze Vermessungsgruppe und ließ gründliche Arbeit leisten?
Vielleicht war die Sache so vertraulich, dass er nur seinen eigenen Duplikaten trauen konnte.
Wenn das stimmte, musste meine Gegenwart gemischte Gefühle bewirken. Ich hatte aufgehört, für Kaolin zu arbeiten, als Yosil Maharals Leiche in seinem Wagen gefunden worden war – als aus der mutmaßlichen Entführung eines wichtigen Mitarbeiters ein eventueller Mord wurde.
Ich nahm mir vor, Ritu nach den Beziehungen ihres Vaters zum UK-Chef zu fragen. Wenn es Mord war, so konnte ich mir Szenarien vorstellen, die den Rik auf eine kurze List von Verdächtigen setzten.
Denk daran, was vor einigen Stunden mit Maharals Geist – und meinem Grauen – geschehen ist. Steckt Kaolin hinter ihrem Verschwinden auf seinem Anwesen? Vielleicht kam der Graue irgendeiner grässlichen Wahrheit zu nahe. Vielleicht hatte der Geist guten Grund zur Flucht.
Bald war der Inertialschnitt des Erdgeschosses komplett. Nells erste Analysen zeigten keine geheimen Kammern. Zumindest nichts Größeres als eine Scheibe Brot. Aber der Hauscomputer machte mich auf eine Anomalie aufmerksam.
Zwei Fotos fehlten. Bei meinem Eintreffen hatten sie unten neben der Treppe an der Wand gehangen. Und jetzt waren sie nicht mehr da! Ihr Schatten zeigte sich noch im infraroten Spektrum, ein bisschen kühler als die umgebende Wand.
Ich drehte mich um, hielt nach Rik Kaolin Ausschau… und sah, wie er aus der Toilette kam. Im Hintergrund vernahm ich ein leises Rauschen. Er hat etwas hinuntergespült! Der Platin-Dito erwiderte meinen Blick und gab sich völlig unschuldig. Ich fluchte lautlos.
Wenn ich als schwarzer Spezialist gekommen wäre, ganz auf forensische Analysen konzentriert, hätte ich ihn buchstäblich mit einem Auge im Hinterkopf beobachtet. Jetzt schien ich kaum mehr etwas tun zu können. Mit argwöhnischen Fragen hätte ich Kaolin verprellt, ohne Aufschluss über die Fotos zu bekommen.
Ich hielt es für besser zu warten. Sollte er glauben, mir wäre nichts aufgefallen. Vielleicht würde ich Ritu später nach den Fotos fragen.
Ich ging hinaus zu meinem Volvo, öffnete den Kofferraum und nahm einen Klopfer mit seismischen Sensoren. Ich schleppte die Ausrüstung die Treppe hoch und installierte Detektoren um das Haus herum. Gleich würde ich wissen, ob unterirdische geheime Räume existierten. Es war eher unwahrscheinlich, aber ich wollte es trotzdem überprüfen.
Während ich auf die Daten wartete, sah ich mir den Recycler hinterm Haus an, der über verschiedene Einwurfschächte für Metall, Plastik, organische Abfälle und Elektronik verfügte. Und für Ton. Die Behälter sollten alle leer sein, da Yosil Maharal die letzten Wochen nicht in seinem Haus verbracht hatte. Aber die Indikatoren zeigten etwas Masse im Golem-Fach. Genug für einen Humanoiden in Standardgröße.
Ich öffnete das Fach und sah, wie eine graue Gestalt zusammensackte, als Luft in den Behälter strömte und den Zersetzungsprozess jäh beschleunigte.
Der Geruchssinn kann sehr wichtig sein. Die von der zerfallenden Masse ausgehenden Dämpfe teilten mir viel mit. Er starb eine ganze Weile vor seinem Ablauf… und vor höchstens einer Stunde. Ich handelte rasch, griff dorthin, wo der Schädel gewesen war, tastete durchs schleimige Gewebe und fand ein kleines, hartes Objekt. Das ID-Pellet. Ich wollte es später untersuchen und herausfinden, was dies bedeutete – vielleicht hatte ein Nachbar einen Dito im Maharal-Recycler verschwinden lassen, um Geld für die Entsorgung zu sparen.
Ich wischte die Hände an einem kleinen Handtuch ab und kehrte zum Klopfer zurück, um mir die seismischen Daten anzusehen. Es gab tatsächlich keine geheimen unterirdischen Räume. Ich weiß nicht, warum ich mir die Mühe machte. Vielleicht hoffte der Romantiker in mir auf die Katakomben der Schatzinsel, etwas, das über die üblichen Spurenbilder der Stadtkameras hinausgeht, mit denen ich es bei der Verfolgung von Copyright-Verletzern und trödelnden Ehefrauen zu tun bekomme. So lautete zumindest Claras Diagnose. Tief im Inneren von Albert Morris ist die Seele eines Tom Sawyer verborgen.
Mein Herz schlug schneller, als ich an Clara und die Richtung dachte, in die ich bald fahren würde. Nach einem Tag harter Arbeit in der Wüste – wenn Ritus Dito abgelaufen war –, konnte ich vielleicht beim Kampfgebiet vorbeischauen und sie überraschen…
Plötzlich bemerkte ich eine Veränderung. Etwas fehlte. Eine Präsenz, wie ein
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