Copyworld: Roman (German Edition)
Korund Steins.
“Wir werden sehen.” Der Exarch
beendet den Streit mit einer herrischen, nun doch ganz und gar autoritären
Geste, öffnet die Tür und geht voran.
Zuerst ist Hyazinth maßlos
enttäuscht. Zwar hätte er nicht sagen können, was er erwartete – aber daß
hinter dieser Zauberpforte lediglich ein weiterer Korridor liegt, hatte er
nicht geglaubt. Allerdings weisen die vier salutierenden Protektoren darauf
hin, daß er durchaus mit Überraschungen rechnen darf.
Korund Stein wird immer
schneller, schreitet hastig aus, als fürchte er, irgend etwas zu verpassen.
Doch ist seiner Unruhe anzusehen, daß sie nicht einem konkreten Ereignis gilt,
sondern praktisch in der Luft liegt und von ihm mit jedem Atemzug eingesogen
wird. Es ist das Wissen um das Geheimnis dieser Abteilung der Gesundheitswache.
Dann stößt er eine Tür auf.
Ein riesiges Labor, nein, eher
ein Technikum, Produktionsanlagen neben Versuchsaufbauten,
durcheinanderwimmelnde Menschen, die sofort stehenbleiben, die Hände vor der
Brust falten und den Kopf senken, als sie den Ersten Administrator sehen.
Der Exarch stößt einem, der einen
weißen Overall mit allerlei goldenen Balken und Winkeln trägt, den Zeigefinger
auf die Brust und befiehlt: “Du! Erkläre dem jungen Mann hier, was ihr hier
macht!”
Der Mann rasselt das übliche:
“Ewige Liebe, Deva…” herunter und beginnt sofort.
Hyazinth Erregung legt sich
rasch. Hier synthetisiert man also gewisse Polypeptide, die normalerweise von
der Zirbeldrüse erzeugt werden und den Alterungsprozeß im lebenden Organismus
verlangsamen. Schön und gut. Daß so was oder ähnliches gemacht wird, hatte er
sich längst gedacht. Daran ist nichts aufregendes. Eigentlich ist sich jeder
Märtyrer darüber im klaren, daß bei den regelmäßigen Untersuchungen durch die
Gesundheitswache alle möglichen Substanzen in den Körper gemogelt werden, die
jenes und solches verhindern, oder dieses und anderes begünstigen. Als Bürger
der DTEA ist man es gewöhnt, daß selbst über den eigenen Körper irgendwelche
Dienststellen entscheiden.
Im nächsten, ebenso
beeindruckenden Laboratorium erläutert ihm ein Mitarbeiter in taubenblauem
Overall die Wirkung der Bioantioxidantien.
“… diese Stoffe haben Einfluß auf
die Eiweißlipide der Zellmembranen, indem sie deren Zerstörung durch ungünstige
Einflüsse oder Alterung verhindern. Die natürliche Alterung wird in erster
Linie durch Störungen der Versorgung der Zellen mit Sauerstoff und die
Zerstörung der Zellmembranen bestimmt, dadurch entstehen zahlreiche
Eiweißsplitter, freie Radikale, von denen viele giftig sind. Die
Bio-Antioxidanten isolieren sie und verhindern somit eine schädliche Einwirkung
auf den Organismus…” Man könne also durch gezieltes Verabreichen solcher Stoffe
das Leben beträchtlich verlängern.
Allmählich wird Hyazinth
hellhörig.
Im nächsten Forschungskomplex
werden Autoimmunreaktionen behandelt. Dort wird den Lymphozyten beigebracht,
mit zunehmenden Alter die Fähigkeit zu bewahren, körpereigenes Gewebe von
körperfremden Strukturen zu unterscheiden, da dieser natürliche
Entdifferenzierungsprozeß wesentlich am Verfall eines alternden Organismus
beteiligt ist. Hier sind die Genetiker am Werk. Ein wenig erschrickt Hyazinth,
als ihm die Frau im gelben Overall erklärt, die zu reparierenden
Strukturveränderungen an der DNS begännen für gewöhnlich etwa mit dem
zwanzigsten Lebensjahr, und er sei – das sagte sie augenzwinkernd – damit
bereits ein alternder Mann, aber nur rein theoretisch, da man diesen
Mechanismus bereits seit vielen Jahren beherrsche. Es ginge nur noch darum, das
Erreichte zu stabilisieren.
Ein Labor folgte dem anderen.
Referate, Erläuterungen, Vorführungen. Zwischendurch fragt Korund Stein wie
beiläufig: “Erinnerst du dich noch an den Göttervogel Garuda, der den Amrita
stahl, um seine Mutter freizukaufen?”
Oh ja, Hyazinth erinnert sich.
Und ihm fällt auch sogleich ein, daß ihn der Exarch damals, während dieser
schicksalshaften Audienz, gemahnt hatte, das Ende der Geschichte nie zu
vergessen. Garuda hatte Indra, dem Gott der Götter letztlich den Amrita
zurückgebracht…
“Ich verstehe”, flüstert Hyazinth.
“Hier wird der Amrita gebraut, der Unsterblichkeitstrank…”
“Das zu verstehen, erfordert den
Verstand eines sabbernden Kleinkindes.” In Korund Stein Stimme sind Hohn und
eine irgendwie bizarre Zärtlichkeit zugleich. “Verstehst du, worum es darüber
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