Coq 11
Uhrzeit sein Mobiltelefon einschalten. Mehr wussten sie nicht.
Bis zum Höhepunkt der Urlaubssaison waren es noch drei Wochen. Über Weihnachten und Neujahr würden vor allem Nordamerikaner und Europäer dem Winter entfliehen und in den Hochsommer auf der südlichen Halbkugel fliegen. Die Temperatur war angenehm, um die fünfundzwanzig Grad, und die Hotels im Hafengebiet Waterfront waren bereits zur Hälfte belegt. Als die Verwaltung plötzlich Absperrungen rings um das Hotel Cape Grace verordnete und alle Gäste zwangsweise aus dem ersten Obergeschoss entfernte, kam es zu einer gewissen Verärgerung. Zudem hatte man alle privaten Luxusyachten barsch der Liegeplätze an der privaten Anlegestelle des Hotels verwiesen.
Bald wimmelte es in den lokalen Zeitungs- und Fernsehredaktionen vor Gerüchten. Fest stand, dass Präsident Thabo Mbeki sich auf einen wichtigen Gast vorbereitete, allerdings wurden solche Besuche normalerweise nicht von Geheimniskrämerei begleitet. Im Gegenteil. Der Präsident schien alle Ereignisse dieser Art zu lieben, weil sie für einige Tage die Aufmerksamkeit von seinen unliebsamen Ministern ablenkten, die der Vergewaltigung oder der Korruption bezichtigt wurden oder wieder irgendeine sensationelle Äußerung zum Thema Aids getätigt hatten.
Kurz darauf nistete sich eine auffallend große Zahl von Journalisten am Flughafen ein, um den geheimnisvollen Besuch sofort zu registrieren. Außerdem behielt man die Villa von Nelson Mandela im Blick. Denn wenn Mandela sich bewegte, war etwas Wichtiges im Gange.
Umso rätselhafter erschien der Bescheid der Pressesprecherin des Präsidenten, akkreditierte Journalisten seien um dreizehn Uhr fünfundvierzig an einer speziellen Pressetribüne vor dem Cape Grace Hotel willkommen. Kamen denn die Besucher nicht am Flughafen vorbei? Man munkelte, bei dem geheimnisvollen Gast handle es sich um Madonna, die es gar nicht schätze, auf Flughäfen fotografiert zu werden, weil sie ungeschminkt flog. Daher habe sie den südafrikanischen Präsidenten gebeten, die Journalisten vom Flughafen wegzulocken. Sicherheitshalber ließen die Redaktionen je einen Fotografen am Flughafen stehen. Eine ungeschminkte Madonna wollte sich niemand durch die Lappen gehen lassen.
Um dreizehn Uhr dreißig hatten sich das Musikkorps und die Ehrenwachen vor dem Cape Grace Hotel aufgestellt. Die Sicherheitskräfte hatten die Absperrungen ausgeweitet und rings um das Gelände sogenannte »Krawallgitter« aufgestellt. Die massenhaft herbeiströmenden Journalisten waren einigermaßen verärgert, als ihre Presseausweise und Akkreditierungen ausführlich kontrolliert wurden.
Im abgesperrten Restaurant saßen die beiden Präsidenten Mahmud Abbas und Thabo Mbeki, der palästinensische außenpolitische Berater Farouk Kaddoumi und ein Schwarm von breitschultrigen Männern mit Kopfhörern. Präsident Mbekis Telefon klingelte, er meldete sich wortkarg und irritiert, wurde aber sofort sanfter im Ton und gab zu irgendetwas achselzuckend seine Zustimmung. Offenbar war er verunsichert.
»Nelson ist unterwegs. Halte mich jetzt bitte nicht zum Narren«, murmelte er mit Blick auf Mahmud Abbas.
Mahmud Abbas schwitzte und war grau im Gesicht vor Nervosität und Schlaflosigkeit. Die ganze Situation war albtraumhaft unwirklich. Im einen Moment verspürte er einen wilden Optimismus, im nächsten nur noch Resignation und Verzweiflung. Er kam nicht dazu, seinem südafrikanischen Kollegen eine Antwort zu geben, denn nun klingelte sein eigenes Telefon. Blitzschnell ging er dran.
»Die U-1 Jerusalem ist bereit zum Aufstieg, legt in zehn Minuten an und bittet darum, dass die Brücke zwischen Victoria- und Alfred-Becken geöffnet wird«, sagte Mouna al-Husseini.
Erleichterung durchflutete seinen ganzen Körper, als er Thabo Mbeki nun zunicken und ihm zuflüstern konnte: »Noch zehn Minuten!« In der Aufregung fiel ihm nur eine Frage an Mouna ein: Wie könne sie unter Wasser denn telefonieren? Man habe eine Antenne aus dem Wasser gestreckt, antwortete sie fröhlich.
Diese Antenne war das Erste, was die Touristen auf dem Weg nach Robben Island von der U-1 Jerusalem zu sehen bekamen. Etwas Scharfes und Schweres durchschnitt die Wasseroberfläche wie ein Schwert.
Die folgenden Szenen wurden im Fernsehen tausendfach wiederholt und hatten sich schon nach wenigen Tagen zu Klassikern entwickelt. Weit draußen im Victoria-Becken, kurz hinter der Einfahrt ins große Hafengebiet Victoria & Alfred Waterfront, tauchte
Weitere Kostenlose Bücher