Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coraline

Coraline

Titel: Coraline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
und drückte sie so fest, dass ihr die Arme wehtaten. Ihre Mutter erwiderte die Umarmung.
    »In einer Viertelstunde gibt’s Essen«, sagte ihre Mutter. »Vergiss nicht, dir die Hände zu waschen. Und sieh dir doch nur mal deine Schlafanzughose an! Was hast du mit deinem armen Knie angestellt?«
    »Ich bin hingefallen«, sagte Coraline. Sie ging ins Bad, wusch sich die Hände und säuberte das blutige Knie. Sie schmierte Salbe auf ihre Kratzer und Schürfwunden.
    Sie ging in ihr Zimmer – ihr echtes Zimmer, ihr wahres Zimmer. Sie langte in die Tasche ihres Morgenmantels und holte drei Murmeln daraus hervor, einen Stein mit einem Loch in der Mitte, den schwarzen Schlüssel und eine leere Schneekugel.
    Sie schüttelte die Schneekugel und sah zu, wie der glitzernde Schnee durch das Wasser wirbelte, um die leere Welt zu füllen. Sie stellte die Schneekugel hin und sah zu, wie der Schnee sich herabsenkte und die Stelle bedeckte, wo einmal ein Pärchen gestanden hatte.
    Coraline holte ein Stück Schnur aus ihrer Spielzeugkiste und zog den Schlüssel auf die Schnur. Dann knotete sie die Schnur zusammen und hängte sich den Schlüssel um den Hals.
    »So«, sagte sie zum Abschluss. Sie zog sich an und versteckte den Schlüssel unter ihrem T-Shirt. Er lag ihr kalt auf der Haut. Der Stein kam in ihre Tasche.
    Sie ging durch den Flur zum Arbeitszimmer ihres Vaters. Er saß mit dem Rücken zu ihr, aber als sie ihn so sah, wusste sie, dass seine Augen die freundlichen grauen Augen ihres Vaters sein würden, wenn er sich umdrehte, und sie schlich sich an ihn heran und küsste ihn auf den Hinterkopf mit dem schütteren Haar.
    »Hallo, Coraline«, sagte er. Dann drehte er sich um und lächelte sie an. »Wofür war das denn?«
    »Nur so«, sagte Coraline. »Manchmal fehlst du mir eben, das ist alles.«
    »Oh, schön«, sagte er. Er legte seinen Computer schlafen, stand auf und dann schwenkte er Coraline ohne jeden Grund hoch in die Luft. Das hatte er sehr lange nicht mehr gemacht, schon seit der Zeit nicht mehr, als er sie darauf hinzuweisen begann, dass sie viel zu alt wäre, um noch getragen zu werden. Aber jetzt hob er sie hoch und trug sie in die Küche.
    Zum Abendessen gab es Pizza und obwohl ihr Vater sie selbst gebacken hatte (was bedeutete, dass die Kruste entweder dick und teigig und halb roh war oder zu dünn und verbrannt) und obwohl die Pizza mit klein geschnittenen grünen Paprikaschoten und Fleischklößchen belegt war und außerdem auch noch mit Ananasstückchen, aß Coraline das ganze Stück auf, das sie bekommen hatte.
    Also, sie aß alles bis auf die Ananasstücke.
    Und schon bald war es Zeit zum Schlafengehen.
    Den Schlüssel behielt Coraline um den Hals, aber sie legte die grauen Murmeln unter ihr Kissen. Und als Coraline in der Nacht im Bett lag, träumte sie.
    Im Traum machte sie ein Picknick unter einer alten Eiche auf einer grünen Wiese. Die Sonne stand hoch am Himmel und während es am Horizont ein paar weit ent fernte Wattewölkchen gab, war der Himmel direkt über ihr von einem tiefen, ungetrübten Blau.
    Auf dem Gras war ein weißes Leinentuch ausgebreitet, auf dem bis zum Rand gefüllte Schüsseln und Platten standen – Coraline konnte Salate und belegte Brote sehen, Nüsse und Obst, Krüge mit Limonade und Wasser und dickem Kakao. Sie saß an einer Seite des Tischtuchs, während drei weitere Kinder die übrigen Seiten einnahmen. Sie hatten höchst sonderbare Sachen an.
    Das kleinste der Kinder, links von Coraline, war ein Junge mit roten Kniehosen aus Samt und einem weißen Rüschenhemd. Sein Gesicht war schmutzig und er lud sich den Teller voll mit neuen Kartoffeln und etwas, was wie eine ganze, gekochte kalte Forelle aussah. »Was für ein prächtiges Picknick, Lady«, sagte er zu ihr.
    »Ja«, sagte Coraline. »Das finde ich auch. Wer das wohl ausgerichtet hat?«
    »Oh, ich möchte doch meinen, das warst du, Miss«, sagte ein großes Mädchen, das Coraline gegenübersaß. Sie hatte ein braunes, ziemlich formloses Kleid an und trug eine braune Haube, die unter dem Kinn gebunden war. »Und wir sind dafür und für alles andere so dankbar, dass sich das gar nicht in Worte fassen lässt.« Sie aß Marmeladenbrote, schnitt mit einem riesigen Messer von einem großen, goldbraunen Brotlaib flink und geschickt eine Scheibe nach der anderen ab und gab dann mit einem Holzlöffel eine lilafarbene Marmelade da rauf. Ihr Mund war ringsum mit Marmelade verschmiert.
    »Ja. So feines Essen habe ich schon seit

Weitere Kostenlose Bücher